Reverend Schulzz erinnert sich an Begegnung am Tresen Kurt Cobain in Hanauer Kneipe

„In Bloom“, so wie der Nirvana-Song, heißt die Skulptur, die inmitten des „Kurt-Cobain-Kreisels“ am Freiheitsplatz steht. Reverend Schulzz, Namensgeber des Kreisels, findet die Idee von Kunst in dessen Mitte fantastisch. Bild: Patrick Scheiber

Hanau – Es ging um Verstärker, Gitarren und Hermann Hesse. Dazu floss reichlich Bier. Und Champagner. Denn der Abend war erfolgreich. Das zumindest hatte Anousch gesagt, die Chefin der Kneipe „Ku-Ba“ in Kesselstadt. Also saß man noch bis in die frühen Morgenstunden zusammen. Die Belegschaft und die beiden Bands, die an diesem Abend im November 1989 aufgetreten waren.

Eine von ihnen sollte wenig später zu einer der wichtigsten Bands in der Musikgeschichte werden: Nirvana. Kurt Cobain, der Sänger, den damals genauso wie seine Band kaum jemand kannte, saß neben dem Hanauer Singer-Songwriter Dirk Schulz, alias Reverend Schulzz, am Tresen. „Wir haben erst mal Small Talk gehalten. Es ging um Equipment, um Gitarren. Ich habe schnell gemerkt, dass er ein sympathischer Typ ist, der auch was im Kopf hat“, sagt Dirk Schulz über den Nirvana-Sänger. „Ich wollte wissen, warum seine Band Nirvana heißt. Das war der Einstieg in ein Gespräch, das dann drei Stunden gedauert hat“, schmunzelt Schulz, der damals 24 Jahre alt war.

Schnell stellte sich heraus, dass die beiden Musiker einen gemeinsamen Lieblingsschriftsteller hatten: Hermann Hesse. „Ich kannte den Begriff Nirvana aus Hesses Siddhartha. Und Kurt Cobain hatte seine Band danach benannt.“ Auch was ihr Lieblingsbuch anging, waren sich die beiden Musiker einig: „Steppenwolf“. So habe sich ein tiefgründiges Gespräch entsponnen, in dem sich Cobain als „total aufgeräumt und wach, kein bisschen verdrogt“, gezeigt habe.

„Dass es mit ihm eine solche Wendung nimmt, war damals nicht abzusehen“, sagt der heute 58-jährige Schulz, der damals im „Ku-Ba“ hinterm Tresen arbeitete und zudem fürs Licht verantwortlich war.

Zu dieser Zeit seien viele internationale Künstler in dem Kesselstädter Kultur-Basar aufgetreten. Nirvana war an dem Abend lediglich die Vorgruppe von Tad, einer aus Seattle stammenden Grungeband. Jedenfalls sei reichlich Alkohol geflossen. „Es war ein schöner Abend, es hat Spaß gemacht, sich mit Kurt Cobain zu unterhalten. Auch wenn ich die Musik gar nicht so toll fand, eher ziemlich lärmend. Aber Kurt war echt ein netter Typ. Typisch amerikanischer Mittelstand. Gute Umgangsformen, sehr gebildet. Höflich.“

Ausgesehen habe er genau so wie man ihn in Erinnerung habe: blonde, halblange Haare, Jeans, Holzfällerhemd, Converse-Chucks.

Zwei Jahre nach ihrem Auftritt in Hanau gingen Nirvana sprichwörtlich durch die Decke. Mit dem Album „Nevermind“ und dem Song „Smells like Teen Spirit“ erlangten sie wenige Wochen nach Erscheinen schon Platin für eine Million verkaufte Exemplare, kletterten an die Spitze der Albumcharts. Neben dem großen kommerziellen Erfolg von Nirvana hatte die Grungeband auch einen beachtlichen Einfluss auf die Musikszene, etablierte den Grungerock und wird mittlerweile gerne als Sprachrohr der damaligen Generation bezeichnet. „Wer hätte das damals gedacht? Obwohl den Leuten aus der Szene Nirvana schon ein Begriff war. Aber dass sie mal so bekannt würden, war nicht abzusehen. Da gab es bestimmt 100 Bands im ,Ku-Ba’, die mir persönlich besser gefallen haben“, sagt Dirk Schulz.

Das Erfolgsalbum „Nevermind“ habe er sich folglich auch nie gekauft, die Band danach auch nie wieder gesehen. „Aber ich verstehe das Besondere an Nirvana durchaus. Es ist einfach nur nicht so mein Musikstil. Ich höre lieber Folk oder Jazz.“

Übrigens gibt es laut Schulz alte Tonaufnahmen von dem „Ku-Ba“-Auftritt, auf Youtube seien sie zu finden.

So ganz losgelassen hat Dirk Schulz die damalige Begegnung mit Kurt Cobain übrigens nicht. Aus einer Bierlaune heraus nannten er und sein Kumpel Jürgen Müller den Kreisel am Freiheitsplatz bekanntlich in „Kurt-Cobain-Kreisel“ um.

Der Name machte die Runde – in der Kneipe, im Freundeskreis und bald in ganz Hanau und über die Stadtgrenzen hinaus. So große Kreise zog der Titel, dass mittlerweile selbst Google Maps besagten Kreisel als „Kurt-Cobain-Kreisel“ führt.

Die Geschichte schlug schließlich im Sommer 2022 bei den Grünen im Ortsbeirat Innenstadt auf. Die stellten den Antrag, den Kreisel an der Nordstraße offiziell „Kurt-Cobain-Kreisel“ zu nennen. Der Antrag fiel damals durch – trotz der Stimmen von den Linken, der Partei und der FDP ging die Abstimmung 7:9 aus. Eines der Gegenargumente: Man wolle den Kreisel nicht nach einem Drogenabhängigen benennen. Doch der Drops scheint noch nicht ausgelutscht – es gibt Stimmen, die von Überlegungen sprechen, den Antrag erneut aufs Tapet zu bringen.

Der Kreisel ist derzeit ohnehin im Gespräch. Denn inzwischen fungiert er als Kunst-Kreisel. Eine drei Meter hohe Holz-Skulptur des Bildhauers Achim Ripperger ist dort platziert. Sie heißt passenderweise „In Bloom“, so wie der Nirvana-Song. Marion Sulzmann, deren Galerie vis-à-vis liegt, hat zusammen mit der Stadt die Aufstellung initiiert. „Ich finde die Idee von Kunst im öffentlichen Raum großartig. Ich könnte mir gut vorstellen, dass man den Kreisel dauerhaft als Kunst-Kreisel mit wechselnden Ausstellungen nutzt, quasi ein Kunst-Drive-in“, so Marion Sulzmann.

Und was sagt der Namensgeber Schulz zur Kunst im „Kurt-Cobain-Kreisel“? „Ich finde es fantastisch. Es wertet das ganze Areal auf.“
 kb