Der Schriftsteller gibt sich redselig und humorvoll Antrittslesung des neuen Stadtschreibers Thomas Melle

Thomas Melle antwortet ausführlich und mit einer guten Prise Humor auf die Fragen von Stadtschreiberjury-Mitglied Charlotte Brombach. Foto: zko

Bergen-Enkheim (zko) – Die Antrittslesung des Stadtschreibers von Bergen-Enkheim Thomas Melle war eine Überraschung. Hatte sich der Schriftsteller bei der symbolischen Schlüsselübergabe für das Stadtschreiberhäuschen bei der Amtsübernahme noch etwas publikumsscheu gezeigt, wurde er an diesem Abend trotz angeschlagener Gesundheit redselig und bewies guten Humor.

Charlotte Brombach, Mitglied der Stadtschreiberjury, moderierte den Abend und stellte dem Autor viele interessante Fragen, die dieser informativ und unterhaltsam beantwortete. Sein Buch „Die Welt im Rücken“, in dem sich Thomas Melle mit seiner bipolaren Störung auseinandersetzt und das in Literaturkreisen ausführlich diskutiert wurde, blieb an diesem Abend außen vor. Stattdessen gab es eine Werkschau aus seinen ersten drei Büchern. Charlotte Brombach versäumte es jedoch nicht, den Autor eingangs zu befragen, wie er sich nach den ersten Wochen in Bergen-Enkheim denn fühle. „Das Stadtschreiberhaus und die beiden Fernseher in ihm besitzen den Charme der 90er Jahre, seine Gardinen sogar den der 70er, ein insgesamt charmantes Ensemble“, beschrieb Melle sein Domizil. „Meine Partnerin und ich haben das Haus liebevoll angenommen, was daraus wird, kann ich noch nicht absehen, aber ich glaube, das ist auf einer guten Schiene“, sagte er. Überraschend war für das Publikum, dass sich der Autor mit dem hiesigen Nationalgetränk, dem Apfelwein, schon angefreundet hatte: „Ich mag ihn total.“ Wohingegen ein Leibgericht Johann Wolfgang von Goethes ihm bisher nicht so zusage: „Bei der Grünen Soße bin ich noch in einem Prozess“, äußerte er mit einem Schmunzeln.

Thomas Melle hat mit 24 Jahren seinen ersten Roman geschrieben

Auf Brombachs Frage, ob es für ihn eine Initialzündung gab, die ihn zum Schreiben brachte, erwiderte er, dass er schon sehr früh viel gelesen habe: Comics, Bücher von Karl May und Günter Grass. Mit sieben Jahren habe er ein Gedicht für seine Mutter verfasst und eine Tante habe daraufhin gesagt, dass er unbedingt Schriftsteller werden müsse. Seinen ersten Roman habe er mit 24 Jahren geschrieben, berichtete Melle. Aus dem Band „Raumforderung“ mit zwölf Erzählungen las der Stadtschreiber den ersten Text. Thema war die Zerrissenheit der Charaktere, die Beengtheit und das Ausbrechen daraus. „Ich habe das Bedürfnis nach einem Roman von großer Welthaftigkeit“, äußerte Melle im Gespräch. „Der steht noch aus und könnte mein nächstes Projekt sein. Ich werde in Bergen-Enkheim die Zeit nutzen, Formate zu bedienen, die ich länger nicht bedient habe.“ Auch aus seinem Roman „Sickster“ (2011) las er einige Passagen. Es geht um drei junge Großstädter, die in eine Abwärtsspirale geraten. Der Kapitalismus, die psychischen Krankheiten der Protagonisten oder ein undurchdringliches Durcheinander aller Faktoren könnte für das Scheitern verantwortlich gemacht werden.

Zum Schluss übernahm Charlotte Brombach das Lesen aus Melles Roman „3000 Euro“ (2014), um die erkältungsbedingt strapazierte Stimme des Schriftstellers zu schonen. Der Roman erzählt die Liebesgeschichte von Denise und Anton. „Es ist aber keine Kitschromanze“, stellte Thomas Melle mit einem Augenzwinkern sicher.