Auf Entdeckungsreise in den Frankfurter Stadtteilen Bockenheim: Von überwältigender Größe

Den Kurfürstenplatz schmückt ein Monumentalbrunnen mit Obelisk.

Frankfurt (sh) – Nennt man einen Frankfurter Stadtteil, hat fast jeder ein bestimmtes Wahrzeichen, etwas für den Stadtteil Typisches oder auch ein Klischee vor Augen. Redakteurin Sabine Hagemann hat die Frankfurter Stadtteile besucht, sie erlaufen, auf sich wirken lassen und sich umgeschaut, was es dort neben den üblichen Sehenswürdigkeiten noch so gibt.

Bockenheim kenne ich noch aus meiner Studienzeit. Also, einen Teil des Campus’ und natürlich die Leipziger Straße. Aber geahnt habe ich nicht, wie riesig der Stadtteil eigentlich ist und, wohin mich meine Tour überall führen wird. Ich starte im nördlichen Teil, wo sich die Miquelanlage – auch „Vorgarten der Bundesbank“ genannt – an die A66 schmiegt. Der Teich mit Fontäne ist sehenswert. Neben der Bundesbank mit ihrem Geldmuseum befindet sich auch der Europaturm, der „Ginnheimer Spargel“, der aber auf Bockenheimer Gemarkung steht. Ich gehe die Wilhelm-Epstein-Straße weiter entlang in Richtung Markus-Krankenhaus und besuche den gegenüberliegenden Friedhof Bockenheim. Dieser wurde Ende der 1870er-Jahre auf dem Gelände einer geschlossenen Brauerei angelegt, da der alte Bockenheimer Friedhof zu klein geworden war. Die Trauerhalle war vormals ein Sudhaus.

Über die Franz-Rücker-Allee begebe ich mich in Richtung Süden und bestaune die katholische Frauenfriedenskirche mit ihrem opulent gestalteten Portal: In der Mitte dreier mit Mosaiken gestalteter Rundbögen steht eine zwölf Meter hohe Marienfigur, dargestellt als Friedenskönigin, in prächtigen Farben und mit viel Gold verziert. Wo die Franz-Rücker-Allee auf die Sophienstraße trifft, befindet sich ein jüdischer Friedhof, für dessen Besuch man jedoch einen Schlüssel benötigt. Über die Sophien- und Basaltstraße gehe ich zum Hülya-Platz. Unterwegs passiere ich das Titania-Theater, Spielstätte vom Freien Schauspiel Ensemble und „theaterperipherie“. Das Gebäude war früher Gaststätte und Veranstaltungssaal „Zur Liederhalle“. Es war das Stammlokal der Sozialdemokraten. 1913 appellierte Rosa Luxemburg dort an die Frankfurter Arbeiter, sich nicht am Kriegsgeschehen zu beteiligen. Sie wurde als Befehlsverweigerin denunziert und mit einem Jahr Gefängnis bestraft.

Nur ein Stück entfernt davon, an der Friesengasse, befindet sich der Hülya-Platz, der an die neun Jahre alte Türkin Hülya Genc aus Solingen erinnert, die 1993 bei einem rassistischen Brandanschlag auf das Haus, in dem sie mit ihrer Familie lebte, getötet wurde. Den Platz ziert ein kleiner Nachbau des „Hammering Man“, der, wenn man an einer Kurbel dreht, mit dem Hammer auf ein verbeultes Hakenkreuz haut.

Durch die malerische Appelsgasse laufe ich zum Kirchplatz, wo mich die evangelische St.-Jakobs-Kirche begrüßt. Ganz in der Nähe befinden sich das Grempsche Haus – ein schmucker Adelshof der Familie Gremp von Freudenstein aus der Renaissance – sowie das St.-Elisabethen-Krankenhaus. Auf meinem Weg zum Bahnhof West statte ich dem Rohmerplatz mit seinem Kriegerdenkmal einen Besuch ab. Ein Hingucker ist auch das dortige Postamt, die frühere Deutsche Reichspost.

Im Anschluss geht es zum Kurfürstenplatz. Der dortige Monumentalbrunnen mit Obelisk in der Mitte stammt aus dem Jahr 1914 und wurde von Bockenheimer Bürgern gestiftet. Vom Platz aus hat man einen wunderbaren Blick auf die katholische St.-Elisabeth-Kirche. Ein kleiner Spaziergang durch den Von-Bernus-Park ist noch drin – besonders hübsch ist die kleine Steinbrücke, die dort über den Weiher führt.

Durch die Unterführung am Westbahnhof gelange ich zum Alten Friedhof, der als Parkanlage gestaltet ist. Neben einem Kriegerdenkmal sind dort historische Grabsteine – einzeln oder in Gruppen angeordnet – zu bewundern. Nun tauche ich ein in die „City West“. Die moderne Siedlung im ehemaligen Industriegebiet zeichnet sich durch klare Kanten aus. Wohnhäuser, Büros, Hotels, Gastronomien und Dienstleister sowie Plätze und Grünstreifen dazwischen – alles scheint wie mit dem Lineal gezogen zu sein. Über die Voltastraße passiere ich den Katharinenkreisel, den ich noch als Opelrondell kenne, denn von dieser Seite aus hat man einen guten Blick auf das Hochhaus St. Martin Tower und das Radisson Blu Hotel, das aufgrund seiner Scheibenform gerne auch „Spalt-Tablette“ genannt wird.

Ein ausgedehnter Spaziergang im alten und neuen Rebstockpark steht an. Dort wurde 1912 ein Luftschiffhafen eröffnet, 1924 ein Flugplatz für den Passagier- und Frachtflugverkehr und von 1937 bis 1945 nutzten nur noch Sportflieger und das Militär den Flugplatz. Wunderschön ist das Herzstück des mittlerweile zum Volkspark umgewidmeten Areals: Der riesige Weiher. Derzeit neu gebaut wird das Rebstockbad, das 1982 eins der ersten Erlebnisbäder in Deutschland war. Auffällig im Rebstockpark sind die schmalspurigen Schienen: Es handelt sich dabei um die Hausstrecke der Züge des Vereins Frankfurter Feldbahnmuseum. Der Verein unterhält eine stattliche Anzahl an Feldbahnen, bietet monatliche Fahrtage sowie Sonderveranstaltungen an und ist eine tolle Touristenattraktion – nicht nur für Eisenbahn-Fans.

Ich mache mich auf in Richtung Kuhwaldsiedlung und schaue mir an der Müllerstraße den Zeppelinstein an, der an die erste planmäßige Landung eines Zeppelin-Luftschiffs 1909 erinnert. Über die Odrellstraße laufe ich durch die beschauliche Wohnsiedlung, die wie eine kleine Insel zwischen Europaviertel, Messegelände und Autobahn wirkt. Über die Fußgängerbrücke mit Blick auf die Messe West quere ich die Theodor-Heuss-Allee und wende mich gleich nach rechts. Auf dem Weg zur Kuhwaldstraße laufe ich am „Goldenen Haus“ vorbei. Das eindrucksvolle Bürogebäude schimmert tatsächlich golden, die Fassade besteht allerdings aus Aluminium. Trotzdem schick.

Dort, wo die Kuhwaldstraße auf die Voltastraße trifft, befindet sich das ehemalige Elektrizitätswerk. In dem denkmalgeschützten Gebäude mit der Backsteinfassade und dem markanten Schornstein sind Wohnungen entstanden und ein Supermarkt eingezogen. Zu guter Letzt begebe ich mich noch Richtung Bockenheimer Warte, die ganz streng genommen im Westend steht, sowie zum Bockenheimer Depot, in dem sich statt Straßenbahnen eine Spielstätte der Städtischen Bühnen befindet, und bummele, bevor ich nach Hause fahre, noch ein wenig über die quirlige Leipziger Straße.

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