Martin Luther als ein engagierter Wutbürger Evangelische Gemeinde zeigt „Luther einst und heute“

Pfarrer Alfred Vaupel-Rathke (rechts) freute sich über Hartmut Volles Auftritt als Luther. Foto: sh

Bergen-Enkheim (sh) – Inspirierend, provokant, eine vitale Persönlichkeit, aber wohl ein schwieriger Charakter für den Alltag. So beschreibt Karl Welker, Mitglied des Kirchenvorstands der evangelischen Kirchengemeinde Bergen-Enkheim Martin Luther. Mit einer „Luthertafel“ eröffnete die Gemeinde das Symposium „Luther einst und heute“. Dabei gab es Luthers Tischreden – zum Leben erweckt von Schauspieler Hartmut Volle. Vorträge und Diskussionsabende folgen.

An der Luthertafel erfreuten sich 45 Gäste, die es sichtlich genossen, Hartmut Volle, alias Martin Luther, zu lauschen. Vergangenheit und Gegenwart trafen dabei aufeinander. Während Volle im Talar und mit Barett auf dem Kopf die Vergangenheit verkörperte, trug seine Ehefrau Andrea Wolf, ebenfalls Schauspielerin, aktuelle Kleidung und konfrontierte den Reformator mit Fragen und Aussagen aus der Gegenwart. „Auch Luthers Schüler haben provokante Fragen gestellt“, erklärte Welker. Rund vier Jahre habe eine achtköpfige Gruppe an dem Konzept des Symposiums gearbeitet – insbesondere daran, bei der Luthertafel eine authentische Situation zu schaffen. Auch Hartmut Volle – Krimi-Fans bekannt aus dem saarländischen Tatort-Team als Chef der Spurensicherung – hat sich intensiv auf seine Rolle als Luther vorbereitet. Nach allem, was im Zuge der Luthertafel über den Reformator zusammengetragen wurde, bezeichnet Welker Luther als „engagierten Wutbürger, wenn er nicht gerade vorsichtig mit der Obrigkeit umgehen musste“.

Vorbereitungsteam rekonstruiert Martin Luthers Persönlichkeit

Die Rekonstruktion von Luthers Persönlichkeit war den Initiatoren eine Herzensangelegenheit. Wie sich während der Vorbereitungen herausstellte, seien Luthers Tischreden „ungewöhnlich untheologisch“, so Welker, Luther zeige sich da als Mitmensch und spricht die Sprache des Volkes. Dabei kann er durchaus ruppig und frivol werden („Den Zölibat-Befürwortern sollte man das Scheißen verbieten“). „Luther legte keine Professorenallüren an den Tag oder die eines Reformators. Das wurde erst später aus ihm gemacht“, erklärte Welker.

Die Besucher in der Laurentiuskirche ließen sich Schweinebraten, Sauerkraut, Brot und Bier schmecken und genossen die Klänge der Spielleute Musica Vulgaris. Dazwischen fabulierte Luther – immer im spannungsvollen Dialog mit Andrea Wolf – unter anderem über seine eigene Kindheit, Erziehungs- und Beziehungsfragen sowie über sein „Mammutprojekt“, die Übersetzung der Bibel.

Andrea Wolf blickt in Katharina von Boras Heilkiste

Besonders unterhaltsam war Andrea Wolfs Beipackzettel aus der „Heilkiste“ von Luthers Ehefrau Katharina von Bora. Dort finde sich nämlich „Lutherol“, ein Breitband-Theologicum für Geist und Seele, das ökonomisch und ökumenisch einzusetzen sei. Es helfe gegen Höllenangst und Fegefeuerfurcht und diene der Ablassprävention. Um Luther ranken sich zahlreiche Mythen. So habe man beispielsweise herausgefunden, dass es nie einen Thesenanschlag gegeben habe, erläuterte Welker. Aus der Erkenntnis sei auch die Idee entstanden, Luther bei der Tafel selbst sprechen zu lassen und dabei bereits Korrekturen anzubringen.

Zur zweiten Veranstaltung des Symposiums begrüßte die Gemeinde am vergangenen Montag Bischof Martin Hein, der einen Vortag über die „Umstrittene Reformation“ hielt. Wie Welker zusammenfasste, wurde die Aufbruchstimmung, die vor 500 Jahren zu spüren gewesen sei, thematisiert. So habe man damals auch begonnen, kontrovers über Theologie zu diskutieren. Und anlässlich des 500. Reformationstags werde keineswegs über die Trennung von evangelischer und katholischer Kirche „jubiliert“, sondern vielmehr über den Freiheitsgedanken, der dahinterstecke.

Vortragsreihe und Diskussionsabende im Dietrich-Bonhoeffer-Haus

Beim Vortrag am morgigen Freitag, 13. Oktober, von Pfarrerin Karola Wehmeier wird es um Reformation in Kunst, Musik und Kultur gehen. Insbesondere wird der Blick dabei auf Lukas Cranach gerichtet und wie er Luther bildhaft umgesetzt hat.

Am Montag, 16. Oktober, geht es bei Uwe K. Jacobs aus Mainz um „Staat und Kirche seit der Reformation“. Der Referent wird die verschlungene Situation zwischen Staat und Kirche beleuchten und beispielsweise die Frage behandeln, wie es mit der Kirchensteuer weitergeht.

„Luthers Persönlichkeit“ ist das Thema am Mittwoch, 18. Oktober, bei Peter M. Wehmeier. Die Frage, ob Luther psychisch krank oder ein Genius war, wird mit teilweise amüsanten Einsichten, die zum Nachdenken anregen, erörtert.

Am Freitag, 20. Oktober, steht bei der Diskussionsveranstaltung von Stephan Schwab und Karl Welker die reformatorische Entwicklung im Fokus, vor allem im Hinblick auf das politische Amt der Kirche.

Der Vortrag am Montag, 23. Oktober, „Die Reformation als Erfolgsgeschichte“ von Johannes Süßmann wird sich mit der Frage beschäftigen, wie es zur starken Stellung der Kirche bis heute kommt.

Der „Problematische Luther“ wird am Freitag, 27. Oktober, betrachtet. Die Diskussionsveranstaltung mit Max Schröder wird sich mit Abgrenzungsgedanken und Toleranzproblemen befassen. Fragestellungen zu Luther und Juden sind vorgesehen.
Alle Vortragsveranstaltungen finden um 20 Uhr im Dietrich-Bonhoeffer-Haus, Laurentiusstraße 2, bei freiem Eintritt statt.

 

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