Angelika Klüssendorf liest im Garten der Heilig-Kreuz-Kirche Die Wütenden und die Toten

Autorin Angelika Klüssendorf und Moderator Ulrich Sonnenschein stellten den Roman „Vierunddreißigster September“ vor.

Bergen-Enkheim (sh) – Die Bänke auf dem Rasen vor der katholischen Heilig-Kreuz-Kirche füllen sich rasch – das Interesse am Roman „Vierunddreißigster September“ von Angelika Klüssendorf, Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim 2013/14, ist groß; viele sind der Einladung der Buchhandlung „Bergen erlesen“ und der Kulturgesellschaft Bergen-Enkheim zur Autorenlesung gefolgt. Durch den Abend führt Ulrich Sonnenschein (hr2-Kultur). Die in der ehemaligen DDR aufgewachsene Schriftstellerin und der Moderator kennen sich seit vielen Jahren, sind per Du – sind sich an dem Abend aber nicht immer einig.

„Angelika Klüssendorf schreibt autofiktional. Das heißt: Erinnerung und Erfindung kommen zusammen“, erläutert Sonnenschein zu Beginn. „Vierunddreißigster September“ spielt in einem Dorf in Ostdeutschland, die Autorin lebt selbst auch auf dem Land. „Ganz bewusst!“, wie sie sagt. „Ich will unverstellt reden, das geht besser mit Leuten im Dorf als in der Stadt. Ich will über Schafe und Mähdrescher reden und das war’s“, führt sie aus. Die meisten Figuren in ihrem Roman gibt oder gab es tatsächlich, zum Teil habe sie sie so verfremdet, dass sich ihre realen Pendants nicht wiedererkennen und außerdem würde ohnehin keiner von ihnen Bücher lesen.

Eine Menge Charaktere treten in ihrem Roman auf, zum Teil sind sie mit skurrilen Namen versehen wie Eisenalex, Bipolarchen oder Rollschuhmädchen. Im Mittelpunkt steht jedoch Walter. Der war zeitlebens ein Tyrann, doch ein tödlicher Hirntumor löst einen Wesenswandel aus: Er wird plötzlich freundlich und nett. Seine Ehefrau Hilde erschlägt ihn mit einer Axt und Walter findet sich inmitten der Toten auf dem Dorffriedhof wieder, wo er die Rolle des Chronisten einnehmen muss. Gemeinsam erforschen die Toten die Lebenden und Walter sucht Antworten auf die Fragen, warum seine Frau ihn getötet hat und wer er eigentlich war.

Wut und vor allem wütende Männer seien ein großes Thema des Romans, sagt Klüssendorf. Sie erzählt, dass ihre Eltern als Saisonkellner an der Ostsee gearbeitet haben, also habe sie viel in Dörfern gelebt. Nach dem Mauerfall habe sie die Orte noch einmal besucht. „Damals schon habe ich wütende Männer erlebt“, berichtet sie. Die Wut in Klüssendorfs außergewöhnlichen Dorfroman hat ganz unterschiedliche Facetten.

Im Plauderton der Vertrautheit entschlüpfte Sonnenschein bei der Moderation auch schon mal eine Vorwegnahme der Handlung, mit der Klüssendorf die Zuhörer eigentlich überraschen wollte – doch das Publikum genoss die vorgetragenen Zeilen trotzdem und einige Besucher machten im Anschluss gerne noch Halt am Büchertisch, um ein Exemplar von „Vierunddreißigster September“ zu erwerben.