Kampf den Keimen Aktionstgag in der BGU

Kämpft gegen Keime und kritisiert Versorgungsengpässe: Dr. Rolf Teßmann. Foto: Faure

Seckbach (jf) – Die Hände werden in einem Spezialkoffer beleuchtet, neben hellen sind auch dunklere Flächen, beispielsweise zwischen Daumen und Zeigefinger, zu sehen. „Das Gerät macht deutlich, dass die Hände nicht vollständig desinfiziert worden sind. Die dunkleren Flächen zeigen, dass dort Benetzungslücken vorhanden sind“, erklärt Heike Karpf, leitende Hygienefachkraft.

Drei Hygienefachkräfte informieren am 5. Mai, dem internationalen Tag der Händehygiene, an ihrem Stand im Foyer der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) über die richtige Anwendung von Desinfektionslösungen. „Es gibt verschiedene Produkte, denn auch die Haut ist unterschiedlich. Die Pflege der Hände ist wichtig“, sagt Karpf. Da genügt es eben nicht, die Hände kurz mit der Desinfektionslösung zu benetzen, zu schütteln und zu denken: reicht schon.

„Die Hände sollten mindestens 30 Sekunden lang mit wenigsten drei Milliliter des Mittels desinfiziert werden, auch zwischen den Fingern und am Handgelenk. Nach 30 Sekunden wirken die Mittel und die Hände sind trocken“, erläutert die Expertin.Als erster Mediziner erkannte Dr. Ignatz Philipp Semmelweis 1847, dass Erreger über die Hände übertragen werden können. Die BGU hat mit dem „Aktionsbündnis Patientensicherheit“ Keimen den Kampf angesagt. Längst ist für alle Mitarbeiter, die mit Patienten in Kontakt kommen, das Tragen von Handschmuck oder Nagellack verboten, denn gerade unter Ringen, Uhren und Armbändern können sich Keime gut verstecken.

Zwei menschengroße plüschgrüne „Keime“ erregen Aufmerksamkeit – und versinnbildlichen, dass mehr als 80 Prozent aller Keime über die Hände übertragen werden. Auch ein Arztkittel mit bunten Handabdrücken weist sichtbar auf Übertragungsspuren hin. „Mit der Händedesinfektion, die einfach und kostengünstig ist, kann die Ausbreitung von Infektionen maßgeblich gesenkt werden“, unterstreicht Dr. Rolf Teßmann, Chefarzt der Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie. Die „Aktion saubere Hände“ ist wichtig und sinnvoll, Sorgen bereitet dem Mediziner allerdings noch etwas Anderes: Lieferengpässe bei Antibiotika.

Seit 2009 gibt es das MRE (Multiresistente Erreger)-Netzwerk Rhein-Main, im Februar 2016 wurde eine „Antibiotic Stewardship (ABS)“-Arbeitsgruppe innerhalb dieses Netzwerks gegründet. Die ABS-Fachleute der BGU entwickelten schon vor längerer Zeit eine „Hausliste“, die für definierte Krankheitsbilder bestimmte Antibiotika empfiehlt und auch mögliche Ersatzpräparate nennt. Doch was passiert, wenn diese Präparate nicht lieferbar sind?

In einer Stellungnahme der ABS-AG im MRE-Netz Rhein-Main verweisen die Experten auf Missstände: „Lieferengpässe von Antibiotika führen … immer häufiger zu Versorgungsengpässen. Ursache hierfür ist häufig eine Monopolisierung der Produktion und/oder die Herstellung der (Basis)Wirkstoffe außerhalb der EU“, heißt es in dem Schreiben. „Die Mitglieder der ABS-AG fordern die politisch Verantwortlichen dazu auf, mittels Änderung des Arzneimittelgesetzes ein verpflichtendes, sanktionsbewehrtes Register zur Verfügbarkeit von versorgungsrelevanten Wirkstoffen (hier: Antibiotika) zu installieren. Für den Fall von Produktionsausfällen und anderer Lieferengpässe müssen Pharmaunternehmen verpflichtet werden, unverzüglich eine Meldung an das Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte abzugeben und parallel hierzu Medikamentendepots aufbauen, um die Patientenversorgung sicherzustellen“, heißt es weiter.

„Es ist ein Dilemma für die Hochleistungsmedizin – Geräte und Fachpersonal sind vorhanden, nur keine Medikamente“, erklärt Dr. Teßmann drastisch. „Diese Situation führt zu einem nicht objektivierbaren Patientenschaden, der Kunde wird so zum Leidtragenden.“ In dieser Frage ist mehr notwendig, als die Hände zu desinfizieren – die Politik ist gefragt.