Corinna Harfouch liest aus Mann-Briefen Buchpremiere in der Nationalbibliothek

Corinna Harfouch und Torben Kessler begeisterten das Publikum. Foto: Faure

Nordend (jf) – Thomas Mann, dessen Bücher Millionen begeistern, seine Frau Katia und die sechs Kinder Erika, Klaus, Golo, Monika, Michael und Elisabeth werden in über 100 Familienbriefen lebendig. Das Buch „Die Briefe der Manns – Ein Familienporträt“, herausgegeben von Tilmann Lahme, Holger Pils und Kerstin Klein bietet einen intimen und oft überraschenden Einblick in eine Familie, die in Deutschland seit 100 Jahren bekannter ist als jede andere.

Ruthard Stäblein deckte im Gespräch mit Mann-Spezialist Tilmann Lahme in einer Veranstaltung in der Deutschen Nationalbibliothek Hintergründe des Lebens und der Zeit auf. Corinna Harfouch las die Briefe Katia Manns (1883 bis 1980) an ihren ältesten Sohn Klaus (1906 bis 1949), Torben Kessler gab der brieflichen Stimme Klaus Manns Ausdruck.

„Was den Briten die Windsors, sind den deutschen Intellektuellen die Manns“, zitierte Stäblein zu Beginn die Feststellung Marcel Reich-Ranickis. Wie kamen eigentlich Thomas Mann, nicht gerade ein Salonlöwe und Frauentyp, und Katia Pringsheim, die kluge Tochter aus gutem und reichem Hause, zusammen? Einfach muss es nicht gewesen sein, denn die Pringsheims mochten den jungen Thomas Mann nicht besonders, bezeichneten ihn als „leberleidenden Rittmeister“. Möglicherweise haben die literarischen Arbeiten Katia bezaubert, 1905 heiratete sie Thomas Mann (1875 bis 1955), brachte sechs Kinder zur Welt und verzichtete auf eine eigene wissenschaftliche Karriere.

Mann-Kinder führten feudales Leben

„Katia fuhr zum Schrecken aller Münchner schnell und unfallreich Auto. Später wurde ihr der Führerschein entzogen, keine Versicherung wollte sie mehr aufnehmen“, erzählte Lahme. „Zu ihrem Sohn Klaus hatte sie eine enge Beziehung. Und er wusste, dass er die Mutter um den Finger wickeln kann“, äußerte der Herausgeber. Von den sechs Mann-Kindern seien fünf eine „absolute Katastrophe in der Schule“ gewesen. Klaus entschloss sich im Alter von zwölf Jahren, Schriftsteller zu werden. Das wollte er ohne Abitur schaffen, denn die Familienaufstellung bewies, dass das möglich war.

1927 gingen Erika und Klaus auf eine mehrmonatige Weltreise. „Thomas Mann erhielt 1929 den Nobelpreis für Literatur. Das Geld wurde auch gebraucht, um die Schulden der ältesten Kinder zu begleichen“, sagte Lahme, „sie waren Partyvolk – bis die Politik in ihr Leben einbrach.“ Klaus Mann hatte erste Theaterstücke, Novellen und Essays geschrieben. 1933 gründeten Erika und Klaus Mann sowie Therese Giese in München das Kabarett „Die Pfeffermühle“. Immer wieder bat Klaus in Briefen an die Mutter um Geld.

Katia Mann in völlig anderem Licht

Die ältesten Mann-Kinder flohen nach Hitlers Machtantritt ins Ausland, schlossen eine Rückkehr nach Deutschland aus und beschworen die Eltern, Deutschland zu verlassen. „Thomas Mann entschließt sich 1933, nach einer Vortragsreise durch Westeuropa nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren. Er kommt zwar erst 1938 in die USA, wird aber der König des Exils“, kommentierte Tilmann Lahme. In den Briefen wird die Rolle Katia Manns, die immer wieder vermittelt – zwischen der Familie, den Geschäftspartnern und Freunden – deutlich. Andererseits erscheinen Freunde und Bekannte in den Briefen in einem völlig anderen Licht. So wie Agnes Meyer, „sie war neben Katia eigentlich die wichtigste Frau in Thomas Manns Leben“, erläuterte der Experte.

Obwohl sich der Schriftsteller in seinen Tagebüchern oft abfällig über sie äußerte, half Meyer ihm in den USA und bezahlte eine von ihr initiierte Anstellung als Berater der amerikanischen Kongressbibliothek. So konnten sich die Manns die Villa in Pacific Palisades – damals für 15.000 Dollar – bauen. „Heute kostet das Haus 15 Millionen Dollar, inzwischen setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass es erhalten wird“, informierte Lahme. Harfouch und Kessler zogen das Publikum durch ihren großartigen Vortrag in ihren Bann, es wurde gestaunt, geraunt, gelacht, geklatscht. Ein überraschender und gelungener Abend, der auch zum Nachdenken über die bekannte Familie anregte.