Immer wieder donnerstags Dichter-Stammtisch trifft sich in Bornheim

Franz Lautenkranz (von links), Andreas Kühn, Jörg Lüdecke und Martin Wenger. Foto: Faure

Bornheim (jf) – Seit 1990 gibt es das „Gambrinus“ an der Ecke Ringelstraße/Löwengasse gegenüber dem Fünffingerplätzchen. Seit einiger Zeit schmücken viele gerahmte Gedichte die neu gestrichenen Wände. „Es war eine große Freude für mich und hat mich mit Stolz erfüllt, diese Gedichte zu lesen. Ich konnte es gar nicht glauben, dass im ‚Gambrinus’ gedichtet wird. Das machen die Literaten doch sonst nur in Wien oder in Prag im Kaffeehaus“, sagt der über 70-jährige Wirt Franz Lautenkranz, der seit mehr als 26 Jahren böhmische Küche in seinem Lokal anbietet. Und fügt hinzu, dass manche Gäste ebenfalls interessiert an den Reimen sind und sie lesen.

Entdeckt haben Goethe-Rezitator Jörg Lüdecke und Nuklearmediziner Dr. Andreas Kühn das Lokal 1999. Und es gibt auch einen Stammtisch-Wimpel; „Bornheimer Tabakskollegium von 1999“ steht darauf, ein Füllfederhalter und eine Zigarre kreuzen sich, darunter der Zusatz: „Dichter, Denker, Schoppenpetzer“. „Eigentlich sind wir zu dritt, aber Martin Wenger dichtet nicht“, erklärt Lüdecke, der seit 1991 in Frankfurt wohnt. Andreas Kühn lebt seit 1989 in Frankfurt. „Für mich ist das Dichten eine Fingerübung, während Jörg ja hauptberuflich mit Texten zu tun hat“, bekennt Kühn.

Bornheim liegt allen dreien am Herzen, der Stadtteil hat etwas Eigenes, Verlockendes, Gemütliches. Natürlich befindet sich der Stammtisch im Raucherabteil des Lokals, genau am Fenster. Alle drei Stammtischler machen keinen Hehl daraus: Das sei der beste Platz. Noch dazu, wenn man im Winter köstlichen Gänsebraten genießen und dann das Treiben auf der Gass’ beobachten kann. Im Warmen sitzend. Gedichtet wird allerdings erst seit 2012, inzwischen haben Lüdecke und Kühn jeder etwa ein Dutzend Gedichte zu Papier gebracht. In Teamarbeit: „Wir werfen uns die Bälle zu“, sagt Kühn.

Gespräche über Gott und die Welt

Vom „Junker im Strahlenbunker“ ist in Anspielung auf Kühns Beruf in einem Gedicht die Rede, vom Trinken, Essen, Rauchen. Manche Verse sind berühmten Dichtern gewidmet; Andreas Gryphius, Friedrich Hölderlin, Robert Gernhardt, Ernst Jandl. „Wir probieren etwas aus, sind keine Genies wie Goethe“, bemerkt Lüdecke. „Wir reden über Gott und die Welt, wie an jedem anderen Stammtisch wohl auch. Irgendwann entstand die Idee mit den Gedichten, zum Lob des Wirtes und des Lokals“, erläutert Kühn. Sie drücken die Wertschätzung für ihr Stammlokal auf ihre Art aus: in Versen. Jeden Donnerstag treffen sich die drei Genussraucher, wie sie selbst sagen, für etwa zwei bis drei Stunden im „Gambrinus“, reden über Aktuelles, diskutieren Themen, die möglicherweise in Verse gegossen werden könnten, freuen sich aufeinander, auf gemeinsame Gespräche und das gemeinsame Essen. Ihre Frauen sind nie dabei. „Und wir hängen unsere Klamotten zuhause auf den Balkon, damit die ‚Räucherware’ erst einmal auslüften kann“, verrät Lüdecke lachend.

Vielleicht gibt es ja irgendwann einen Dichterabend im Stammlokal, dann würde Jörg Lüdecke sogar die Gedichte zur Ukulele vortragen, die Melodie von „My Sweet Lord“ ist bei einem Gedicht schon vorgemerkt. Alle drei hoffen, dass ihnen das „Gambrinus“ noch lang erhalten bleibt. Und diese Meinung teilen sie mit vielen Gästen.