Projekt von Heussenstamm-Galerie und Café Eastside Drogensüchtige stellen im Ostend zum Thema „Wolf" aus

Beatrix Baumann (von links), Dagmar Priepke, Cornelia Heier, Ina Hartwig und Veronika Czech vor dem Triptychon. Foto: Faure

Ostend (jf) – Zwei Wolfsaugen fixieren den Betrachter, nehmen ihn gefangen. Die Augen taxieren das Gegenüber, scheinen Möglichkeiten abschätzen, Freund oder Feind unterscheiden zu können.

Diese Bleistiftzeichnung ist eine von rund 100, die seit August 2017 im Café Eastside entstanden sind. Die Künstlerin Cornelia Heier kam jede Woche für zwei Stunden ins Café, um mit drogenabhängigen Menschen zu sprechen, ihnen zuzuhören, mit ihnen zu zeichnen. Ehrenamtlich. Die vielen einzelnen Blätter bilden auf einer dreigeteilten Klappwand ein begehbares Triptychon. Manchmal enthalten die Bilder auch Textzeilen, wie beispielsweise: „erst in zwei Stunden kommt Metho, das ist noch lang“.

Der große, helle Raum im Peter-Behrens-Bau, einem ehemaligen Gaswerk, ist in verschiedene Bereiche unterteilt. In der Mitte stehen Tische, am Rand gibt es eine Theke, Sofas. An einer Säule mit buntem Untergrund hängen in dünnen schwarzen Rahmen die Namen der Verstorbenen. Das Haus im Besitz der Stadt ist die größte Drogenhilfe-Einrichtung Europas, wie Beatrix Baumann, Geschäftsführerin der Integrativen Drogenhilfe Frankfurt (idh), erläuterte. Hans-Volker Happel, der 1986 den Verein Integrative Drogenhilfe mit ins Leben gerufen hatte, gründete 1997 das Instituts für Suchtforschung an der damaligen Fachhochschule Frankfurt mit.

Integrative Methoden und Ansätze in der Drogenarbeit entwickelt

„Wir hier in der Schielestraße sind sozusagen das ‚Mutterhaus’ aller niedrigschwelligen Einrichtungen für Lang- und Kurzzeitabhängige“, erklärte Baumann. Das Eastside wurde 1993 eröffnet. Damals gab es eine große Drogenszene in der Taunusanlage, etwa 1000 Menschen kampierten dort. Die offizielle Herangehensweise zur Behandlung Drogenabhängiger war: Erst aufhören, dann gibt es Hilfe. Das funktionierte nicht. Also waren andere Überlegungen notwendig, das Frankfurter Modell, das integrative Methoden und Ansätze in der Drogenarbeit entwickelte, machte Schule.

„Das Haus bietet 75 Übernachtungsplätze, im Winter noch 20 weitere. Die rund 1500 Klienten können duschen und saubere Kleidung erhalten. Im Café, das von neun Uhr bis 20 Uhr geöffnet hat, können 150 Personen essen und miteinander reden. Zum Frühstück haben wir meist zwischen 50 und 60 Gäste. Die Malteser sorgen für medizinische Versorgung und betreiben eine Substitutionsambulanz. 100 Mitarbeiter sind für die Klienten da. Im Erdgeschoss wurde 1994 der erste Konsumraum Deutschlands eröffnet. In den 1990er Jahren hatten wir rund 190 Drogentote im Jahr, jetzt sind es etwa 30“, informierte Baumann und bot Führungen durch das Haus an.

Freiwillig Kunstworkshop belegt

Im Gebäude gibt es außerdem eine Wäscherei, eine Schreinerei, Garten- und Landschaftsbau, eine Renovierungs- und Malerabteilung. Wer möchte, kann tätig werden, gezwungen wird keiner. Auch zum Kunstworkshop wurde keiner gezwungen. „Es ist ein Glücksfall, wenn psychosoziale mit künstlerischer Arbeit verbunden wird“, sagte Kulturdezernentin Ina Hartwig zur Vernissage der Ausstellung, in dessen Mittelpunkt das Thema „Wolf“ steht. Die Kooperation des Eastside Cafés mit der Heussenstamm-Galerie gibt es seit sieben Jahren.

Dagmar Priepke, Geschäftsführerin der Heussenstamm-Galerie, würdigte das ehrenamtliche künstlerische Engagement von Cornelia Heier. „In den Workshops hat man nicht nur gezeichnet, sondern sich auch mit dem eigenen inneren Wolf beschäftigt, mit seinen guten und schlechten Seiten“, bemerkte Priepke. „Es war wichtig, Vertrauen aufzubauen. Dabei hat mir Veronika Czech (Kulturanthropologin und seit einem Jahr Mitarbeiterin im Eastside) viel geholfen“, erzählte Heier. Zwischen den Strichen auf den Zeichnungen werde viel mitgeteilt.

„Während der Workshops war die Atmosphäre im Café eine andere“, fügte Baumann hinzu: „Es ging darum, Leute dazu zu bringen, frei, locker und ohne Angst dabei zu sein. Es ging nicht um falsch oder richtig.“ Insgesamt haben 60 bis 70 Menschen mitgemacht, wesentlich mehr Männer als Frauen.  „Die Frauen sind oft zu unruhig, haben keinen Nerv dafür und kommen kaum zur Ruhe“, schätzte Czech ein. Cornelia Heier beschrieb das Projekt mit ganz eigenen Worten: „Es hat mich gegriffen. Wir haben über alles Mögliche geredet, der Workshop war erstaunlich offen, die Menschen haben viel zugelassen.“ Wer die Ausstellung sehen möchte, kann dazu bis zum 22. Juni montags bis freitags zwischen 16 Uhr und 18 Uhr in die Schielestraße 22 kommen.