Jeden Tag gibt es neue Abenteuer John Leicher: Chef von Baumhäusern im Riederwald und Vaterfigur

John Leicher auf dem Balkon des Baumhauses am Eingang des Abenteuerspielplatzes Riederwald. Foto: Faure

Riederwald (jf) – „Ein Mädchen betrachtet einen schwarzen, krabbelnden Käfer bei uns auf dem Abenteuerspielplatz im Riederwald, schaut sich um, hebt einen Stein und will das Insekt erschlagen. Ich halte ihre Hand fest, gerade noch rechtzeitig, und frage sie, warum sie den Käfer töten will“, erzählt John Leicher.

Er lächelt und schüttelt gleichzeitig den Kopf: „Tiere sind Lebewesen. Wir müssen sie nicht umbringen. Das muss man den Kindern erklären.“ Seit 1973 erklärt er den Kindern, wie man Nägel einschlägt, sägt, Nistkästen und Baumhäuser baut, Gräben anlegt, Seile spannt, Feuer macht und Stockbrot bäckt. Wie man nicht nur einander respektiert, sondern auch die Natur achtet.

Damals hat er als Honorarkraft beim Aufbau des Abenteuerspielplatzes (ASP) im Riederwald mitgeholfen. „Wir waren zu Beginn ein ziemlich chaotischer Haufen. Es hat trotzdem funktioniert. Wir hatten Bücher über Abenteuerspielplätze in Berlin und Skandinavien gelesen und dann einfach losgelegt. Von Beginn an waren Kinder mit dabei. Es wurde einfach gemacht – ohne große Baupläne“, erinnert sich der hagere, große Mann mit dem grau-blonden Pferdeschwanz und dem kantigen Gesicht, der seit 2002 den ASP leitet. „Ein eigenes Haus war die Krönung damals.“ Ein eigenes Baumhaus – und das zieht heute noch.

 „Damals trauten die Eltern ihren Kindern mehr zu“

Doch in den mehr als 40 Jahren ASP Riederwald hat sich viel geändert. „Damals trauten die Eltern ihren Kindern mehr zu“, urteilt Leicher. „Aber es ist toll, dass es immer noch Menschen gibt, die sich für die Arbeit des ASP einsetzen. Und es ist schade, dass zu oft die Kohle statt der Kinder im Vordergrund steht und keiner über das Geld hinausdenkt. Zurück kann man immer – man muss nur zu falschen Entscheidungen stehen“, ist sich Leicher sicher.

„Noch immer gibt es etwa 100 Stammkinder. Inzwischen sind das die Enkel und Urenkel derer, die damals dabei waren. Und die Sprachen der Kinder, die zu uns kommen, sind mehr geworden“, erzählt Leicher, der 1975 mit knapp 19 Jahren fest eingestellt wurde und zunächst bis 1978 dabei blieb. „Christian Tschierschke, der in jenen Jahren Leiter der ‚Falken’, des Sozialistischen Kinder- und Jugendverbandes war, sagte zu mir: ‚Mach eine Ausbildung und komm dann wieder.’ Das habe ich getan“, sagt Leicher. Ein paar Umwege habe es allerdings gegeben; er arbeitete als LKW-Fahrer, Servicemonteur Automatentechnik, machte den Taxi-Schein. „Ich war ’ne coole Socke“, lacht er im Rückblick.

Prägende Erlebnisse

Und er studierte Soziale Arbeit an der Fachhochschule in der Nordweststadt. „Das Studium war mir wichtig, aber ich wollte es auch in den dreieinhalb Jahren schaffen. Ich wusste bereits, dass die Welt nicht nur Schwarz-Weiß ist, kannte das pralle Leben, ließ mir nichts vormachen. Ich sehe mich auch heute noch als Sozialarbeiter“, bemerkt Leicher, der vor einigen Wochen seinen 60. Geburtstag feierte und 1990 wieder zum ASP zurückkam.

Jeden Tag gebe es prägende Erlebnisse, würden Erinnerungen von Kindern wach gerufen. So wie 2008, als drei Jungen im Wald einen toten Bussard fanden und John Leicher fragten, was sie mit dem Vogel, der wunderschöne Federn hatte, tun sollten. „Mein Vater, den ich nie kennengelernt habe, war indianischer Abstammung. Irgendetwas von ihm schlummerte immer in mir. Als die Jungen den Bussard fanden, kam dieses innere Gefühl wieder hoch. Vier Jahre später fand das erste Pow Wow im Riederwald statt“, erklärt Leicher. Vor knapp einem Monat trafen sich Menschen aus aller Welt, die sich für indianische Kultur interessieren und sie leben, zum fünften Pow Wow.

Arbeit ist keine Einbahnstraße

John Leicher hat viele Kinder – es sind weit mehr als die rund 100 Sechs- bis Fünfzehnjährigen, die regelmäßig auf den ASP kommen, mittlerweile in der vierten Generation. Leichers Arbeit ist keine Einbahnstraße. „Ich lerne auch von den Kindern; neugierig zu sein, manchmal auch ungeduldig. Und kleine Dinge zu schätzen.“

Wenn er sich etwas wünschen dürfte, wäre es die Anerkennung und Erweiterung des Riederwälder Pow Wows zum größten Deutschlands. Leicher lacht: „Wird wohl ein Traum bleiben. Aber die Arbeit mit den Kindern bringt mir viel – und das ist die tägliche Realität.“ Auch wenn nicht jeden Tag eitel Sonnenschein herrscht, es Ärger gibt, Bürokratie oder schlechtes Wetter Pläne über den Haufen werfen – bei schlechtem Wetter hilft entsprechende Kleidung, gegen Bürokratie dagegen ist noch kein Kraut gewachsen – Leicher liebt seine Arbeit. Und möchte nicht tauschen. Jeder Tag ist ein neues Abenteuer.

Kommentare

Abenteuerspielplatz

Hallo Leute
Ich war einer der Jugendlichen die dabei waren als der Abenteuerspielplatz im Riederwald geöffnet wurde. Da ich im Riederwald groß wurde gingen wir früher fast jeden Tag auf den Abenteuerspielplatz den wir nur "wir treffen uns auf dem Abenteuer" nannten. Meine Enkelkinder kennen den Abenteuerspielplatz natürlich auch und Ich hoffe das der Abenteuerspielplatz noch lange den heutigen Kinder erhalten bleibt. Natürlich auch solche Mitarbeiter wie John Leicher den ich bis heute zu einem guten Freund schätze.
MfG, Thomas H.