Sehr gut besuchte Matinee im Mousonturm Im „literaTurm“an Peter Kurzeck erinnert

Alexander Losse, Rudi Deuble, Beate Tröger und Harry Oberländer diskutieren auf dem Podium Foto: Faure

Ostend (jf) – Anlässlich des 75. Geburtstages von Peter Kurzeck (1943 bis 2013) fand im Hessischen Literaturforum im Mousonturm im Rahmen des Festivals „literaTurm“ eine Matinee statt. Die Veranstaltung mit den beiden Kurzeck-Lektoren und -Herausgebern Rudi Deuble und Alexander Losse sowie der Literaturkritikerin Beate Tröger und dem Schriftsteller, Journalisten und Freund Harry Oberländer, der moderierte, war ausverkauft.

„Nicht immer ist es so voll wie heute im Literaturforum“, begrüßte dessen Leiter Björn Jager die Gäste, darunter auch Stroemfeld-Verleger KD Wolff und Kurzecks in den Büchern vielfach erwähnte Tochter Carina.

Jager erinnerte an das Hauptwerk von Kurzeck unter dem Titel „Das alte Jahrhundert“, auf zwölf Bände konzipiert. Fünf Romane sind zu Lebzeiten des Autors erschienen, 2015 publizierte der Stroemfeld Verlag das Romanfragment „Bis er kommt“ als sechsten Band. Angekündigt sind noch weitere Bände, in den nächsten Wochen wird „Der vorige Sommer und der Sommer davor“ in den Handel kommen. Dieses 500-Seiten-Fragment stand im Mittelpunkt der Veranstaltung, die mit einem Originalton begann: Kurzeck erzählt über einen Wirtsgarten im Frühsommer. „Für die Kinder und die Wespen ein Eis“, heißt es da. Die Rede ist von „gewaltigen deutschen Sonntagen“, „Tagen wie ein Urlaub“. Der Zuhörer ist in diesem Sommergarten, riecht den frühen Mai-Tag, den Kaffee, das Eis.

Harry Oberländer stieg ins Gespräch ein: „Den ganzen Kurzeck auswendig kann ich nicht, aber ein Zitat ist mir nie aus dem Kopf gegangen. Peter sagte einmal: ‚Erst war ich der liebe Gott, dann haben sie mich in die Schule geschickt und von da an konnte ich mich nicht mehr um alles kümmern.’“ „Das erinnert mich an Paul Celan. Der meinte: ‚Wer auf dem Kopf geht, der hat den Himmel als Abgrund unter sich’“, nahm Beate Tröger den Faden auf. Kurzeck, sagte Tröger, wollte die Welt in Text fassen, aus den Schreckens-, Not- und Leiderfahrungen heraus. Das unterscheide ihn von allen Anderen.

„Kurzeck erzählte am Telefon, er übte, glaube ich, so den Text. Er führte ein unendliches Selbstgespräch. Aber das habe ich erst nach drei Jahren verstanden. Er verwandelte sein eigenes Leben in Bücher“, fügte Rudi Deuble hinzu.

Deuble las weiter, das Publikum ist mit im Hotelrestaurant in Frankreich.

„Solche Texte bestehen aus kleinen Wahrnehmungen und bilden ein Gemälde von Süd-Frankreich. Mehrere Dimensionen kommen auf engstem Raum zusammen“, kommentierte Oberländer.

Deuble machte auf „Die Brücke von Langlois“ aufmerksam. Schon in der Schule interessierte sich Peter Kurzeck für dieses Gemälde van Goghs. Wie dieses Bild habe auch Kurzecks Text Helligkeit und Leuchtkraft.

„Man hört Kurzeck auch an vielen Stellen in Frankfurt, da liegt noch zeitdokumentarisches Material brach“, bemerkte Tröger. Losse fiel dazu ein: „Kurzeck sagte einmal: ‚Ich möchte, dass die Stadt Frankfurt es ohne mich nicht mehr aushält.’ Das Sommerbuch sprengte den Plan vom autobiografischen ‚Alten Jahrhundert’.“

Darauf ging Deuble ein: „Ein Kirschkern im März war 2004 erschienen, eigentlich sollte das Sommerbuch folgen, aber Kurzeck wandte sich gegen diesen Plan; vorher musste er noch etwas Anderes erzählen. Dabei hatte er das Sommerbuch bereits zwischen 1998 und 2001 geschrieben.“ Kurzeck sei oft ungeduldig gewesen, bei der Suche nach den richtigen Erscheinungsterminen für seine Bücher bewies er jedoch große Geduld.

Hatte die Veranstaltung mit einer Sommerbeschreibung angefangen, wurde sie mit „Winterlude“ von Bob Dylan beendet.