Auszeichnung des PEN-Zentrums zum zweiten Mal verliehen Nordend: Ovid-Preis geht an Autorin Herta Müller

Burkhard Bierschenck, Sylvia Asmus und Herta Müller bei der Übergabe des Ovid-Preises, zu dem auch ein Porträt gehört. Foto: Faure

Nordend (jf) –Das PEN-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland (vormals Deutscher PEN-Club im Exil) vergab in Kooperation mit dem Deutschen Exilarchiv 1933-1945 zum zweiten Mal den Ovid-Preis. Sylvia Asmus, Leiterin des Deutschen Exilarchivs, begrüßte die Gäste im Saal der Deutschen Nationalbibliothek und verwies darauf, dass auch das historische Archiv des Exil-PEN zu den Beständen des Exilarchivs gehört.

Ovid, von Kaiser Augustus im Jahre 8 n. Chr. ans Schwarze Meer verbannt, sei der erste exilierte Schriftsteller gewesen und für viele, darunter Bert Brecht und Lion Feuchtwanger, zu einer Identifikationsfigur geworden.Der zweite Ovid-Preis wurde Herta Müller für ihr Lebenswerk verliehen. Sie las zunächst aus ihren Collagen, die auf einer Leinwand gezeigt wurden. Eine Ausstellung dieser Arbeiten, so informierte Sylvia Asmus, sei im Exilarchiv für das nächste Jahr geplant.

Burkhard Bierschenck, Sekretär des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland, gab einen Überblick über den Verband, den es seit 1948 unter dem heutigen Namen gibt. „Man konnte sich bei der Neugründung des deutschen PEN leider nicht auf ein Zusammengehen einigen“, sagte Bierschenck. Um 1989 bekam der Verband neuen Zulauf, da nicht alle der Vereinigung von deutschem und DDR-PEN zustimmten. Zurzeit gehören dem Zentrum Schriftsteller aus 18 Ländern an, Exil ist ein aktuelles Thema. Über Herta Müller sagte der Sekretär: „Ich bin von ihren Gedichten fasziniert. Sie sagt schwere Dinge scheinbar leicht.“

Guy Stern würdigt in der Laudatio die Preisträgerin

Die Autorin selbst äußerte über ihre Collagen: „Die Wörter Koffer, Bahnhof, Beamter kommen immer wieder vor. Ich schneide Wörter aus und setze sie neu zusammen. Eigentlich war ich nur von 1987 bis 1989 im Exil und hätte nach dem Tod Ceausescus zurück nach Rumänien gehen können. Aber das tat ich nicht. Deshalb trifft das Wort Exil heute nicht mehr auf mich zu.“ Müller verwies auf den iranischen Dichter Said, der sagte: „Heimat ist die Zeit, die wir verloren haben.“ Das bedeute sehr viel, mitunter das ganze Selbstverständnis einer Person.

In seiner Laudatio würdigte Guy Stern, erster Ovid-Preisträger (2017), die Schriftstellerin Herta Müller: „Ihre Erzählungen und Romane sind relevant, das haben die zahlreichen Auszeichnungen, darunter der Literaturnobelpreis, bewiesen.“ Herta Müller sei mit ihren Werken und ihrer Haltung ein Leitbild und Ansporn. Sie sage den Tyrannen den Kampf an, in ihren Büchern werden die alltäglichen Sorgen und Ängste des Exils sichtbar. Müller rede Klartext, setze sich immer wieder mit Begriffen wie Grenze, Mitbürger und Heimat auseinander. „Der Ovid-Preis ehrt Herta Müllers Einfühlung in mannigfaltige Exil-Schicksale“, betonte Stern.

Dankesrede mit warnenden Worten 

In ihrer Dankesrede erinnerte die Ausgezeichnete an die Autoren, die sich im Gefängnis befinden, keine Papiere haben, psychischer Folter ausgesetzt sind und nicht ausreisen dürfen. Beispielhaft nannte sie den chinesischen Bürgerrechtler und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, der im Juli 2017 schwerstkrank nach sieben Jahren Gefängnis starb. Noch immer steht seine Witwe in China unter Hausarrest, auch sie ist krank, darf aber nicht ausreisen. „Wir sollten mit China nicht so umgehen, als wäre nichts und uns nicht abhängig machen lassen. Das macht mir Angst“, unterstrich Müller, „wir werden uns über uns selbst ärgern, und irgendwann wir es zu spät sein.“ In Ländern wie der Türkei, Russland und China zähle das Leben eines Einzelnen nicht. „Diejenigen, die sich lebenslang in Machtpositionen installieren, wird man nicht mehr los“, warnte die Autorin.