Daniela Dröscher und Maike Wetzel ausgezeichnet Robert Gernhardt Preis im Mousonturm verliehen

Michael Reckhard (von links), Daniela Dröscher, Maike Wetzel mit Sohn, Hubert Spiegel und Manuel Lösel bei der Preisverleihung. Foto: Faure

Ostend (jf) –Björn Jager, Leiter des Hessischen Literaturforums im Mousonturm, begrüßte die Gäste bei der Verleihung des Robert Gernhardt Preises. Seit 1984 fördert das Junge Literaturforum Hessen, seit 1994 Junges Literaturforum Hessen-Thüringen, junge Autoren im Alter zwischen 16 und 25 Jahren und vergibt Preise. 1995 gehörte Maike Wetzel zu den Preisträgern. Inzwischen wurden zwei Erzählbände und fünf Kurzfilme von ihr veröffentlicht. Daniela Dröschers Werk umfasst bisher zwei Romane, einen Erzählband und acht Theaterstücke.

Manuel Löser, Staatssekretär im Hessischen Kultusministerium, unterstrich: „Mit dem Robert Gernhardt Preis werden in diesem Jahr zwei Romane gefördert, die noch nicht fertig sind. Das Land Hessen unterstützt diesen Preis, die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen beteiligt sich finanziell. Der Preis ist eine Erfolgsgeschichte, er trug zum Erscheinen von inzwischen sieben Romanen und vier Lyrikbänden bei.“ Für dieses Jahr seien 91 Bewerbungen eingegangen – ein Rekord. Löser dankte der Jury mit Eva Demski, Christoph Schröder und Karl-Heinz Götze. Sie lasen die sechsseitigen Textproben, deren Autoren anonym blieben. In diesem Jahr werden zwei ähnliche Romanprojekte ausgezeichnet, es gehe jeweils um Töchter.

Gernhardt war Vertreter der Frankfurter Neuen Schule 

„Im neunten Jahr hat der Robert Gernhardt Preis eine gewisse Reife erreicht“, stellte Michael Reckhard, Mitglied der Geschäftsleitung der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen, fest. Er erinnerte daran, dass der 2006 verstorbene Robert Gernhardt in diesem Jahr 80 Jahre alt werden würde. Gernhardt, ein Vertreter der Frankfurter Neuen Schule, setzte auf andere Weise die Traditionen von Adorno und Horkheimer fort. „Wir arbeiten alle weiter in diesem Sinne für ein weltoffenes Frankfurt“, bekräftigte Reckhard. Warum zwei Romanprojekte gefördert werden, beantwortete er humorvoll mit Gernhardts Versen „Kollegialer Rat“: „Ein Gedicht ist schnell gemacht. Schnell auch reimt ein Lied sich. Aber so ein Zeitroman, lieber Freund, der zieht sich!“

Hubert Spiegel hielt die Laudatio auf die beiden Preisträgerinnen. „Leider kommt beim Schreiben sehr oft etwas dazwischen“, knüpfte er an seinen Vorredner an. „Doch was passiert mit den Figuren? Sie machen, was sie wollen – deshalb bleiben manche Bücher ungeschrieben.“ Daniela Dröschers Roman „Pola“ (2012) über die Tänzerin Pola Negri beginnt mit dem Satz: „Es war der Tag, an dem Pola Negris Karriere zu Ende ging.“ „Gute erste Sätze gehören zur Stärke beider Preisträger“, kommentierte Spiegel. Und spannte den Bogen zu Robert Musil und dessen Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“, an dem der Autor nahezu zeitlebens arbeitete und manchmal glaubte, „Asphalt im Füller“ zu haben. „So ein Preis hätte Musil sicher geholfen“, bemerkte Spiegel.

Preis schenkt den Machern Zeit 

„Literarische Figuren bahnen sich seltsame Wege“, äußerte der Laudator und belegte das am Beispiel der „Elly“, Titelheldin in Maike Wetzels Romanprojekt. Bei Daniela Dröscher ist es eine Figur aus den Erzählungen „Gloria“. Man begegnet einer Frau, die auf einer Farm lebt und Tiere gesund pflegt, dann aber wieder verletzt, um sie auf der Farm behalten zu können, auch im Projekt „Alle, die mich kennen“ in ähnlicher Weise. „Das Bedürfnis nach weiblichen Vorbildern muss in unserer Gesellschaft riesig sein“, stellte Spiegel fest und sagte weiter: „Bücher müssen reifen, Figuren vielleicht auch.“ Dafür werde Zeit benötigt. „Der Robert Gernhardt Preis schenkt Zeit und ist deshalb so wichtig.“

Anschließend überreichten Manuel Lösel und Michael Reckhard die Urkunden des mit jeweils 12.000 Euro dotierten Preises an Daniela Dröscher und Maike Wetzel. Die Preisverleihung wurde musikalisch vom Duo Saxophilie – Anne Siebrasse und Regina Reiter – umrahmt. Die Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen hatte auch in diesem Jahr einen Büchertisch aufgestellt; jeder Gast konnte sich aus den bisher erschienen Büchern eines aussuchen. Auf die Werke der Preisträger der vergangenen drei Jahre – Ulrike Syha, Gila Lustiger, Annika Scheffel, Silke Scheuermann und Norbert Zähringen wird man noch warten müssen. Bücher brauchen eben manchmal etwas länger als ein Jahr Zeit.