Neues Gebäude der BG Unfallklinik ist Gewinn für Patienten und Mitarbeiter Zurück ins Leben

Oliver Tepper spricht mit der Patientin über ihre Prothese – Schritt für Schritt erobert sich die Frau ihre Welt zurück. Foto: Faure

Seckbach (jf) – Breite Flure, helle Räume, kurze Wege auf 7533 Quadratmetern – nach drei Jahren Bauzeit wurde das Gebäude E der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) im März 2017 fertiggestellt und bezogen.

„Mit dem neuen Aufnahmezentrum im Erdgeschoss werden die Patientenströme entzerrt, die Notfallaufnahme ist getrennt untergebracht“, erklärt Dr. Rafaela Korte, Geschäftsführerin der BGU, „wir haben damit bessere Strukturen geschaffen, die zu kürzeren Wartezeiten führen.“ Das Aufnahmezentrum ist für geplante Operationen vorgesehen, wurde mit zusätzlich 1,5 Stellen ausgestattet. Ein Arzt und Anästhesisten sind vor Ort, bis 17 Uhr ist die Aufnahme besetzt. „Vor jeder Operationen werden die Patienten auf multiresistente Erreger (MRSA) gescannt, kommen die Patienten aus anderen Krankenhäusern oder aus dem Ausland, werden sie zusätzlich auf multiresistente gramnegative Bakterien (MRGN) untersucht“, ergänzt Abteilungsleiterin Andrea Hilgendag.

Eine Etage höher befindet sich die Tagesstation, es sieht ein bisschen wie auf einem Flughafen aus: Große Boxen stapeln sich an den Wänden. „Die stehen den Patienten für ihre persönlichen Sachen zur Verfügung, Wertgegenstände können in Schließfächern untergebracht werden“, erläutert Hilgendag. In geräumigen Kabinen ziehen sich die Patienten um, der Operateur stellt sicher, dass die OP gut vorbereitet wird, vergleicht Akten, markiert den zu operierenden Bereich. Eine Trage steht bereit, bis zur Schleuse vor dem OP sind es auf der gleichen Ebene nur wenige Meter. Vorteil: Patienten und OP-Personal sparen Zeit, die Station wird entlastet. „Wir rufen die Patienten am Vortag an und teilen den genauen OP-Zeitpunkt mit“, sagt Hilgendag. Zwischen 6 Uhr und 18 Uhr ist die Tagesstation besetzt.

Im Sockelgeschoss befindet sich die Orthopädietechnik Spörer. Orthopädietechnik-Meister Oliver Tepper ist gerade dabei, die Beinprothese von Claudia Stiefel neu einzustellen. Ein Hightech-Teil, das programmierbar ist, computergestützt funktioniert und „lernen“ kann. Nach einem Autounfall im vergangenen Winter verlor Stiefel ein Bein. Nun versucht sie erste Schritte mit dem Ersatz: „Ich bin dabei, mir den Alltag wieder zurückzuholen“, sagt die sportliche Frau. Es ist ihre Erstprothese, die sie etwa sechs Monate lang behält. Nach ungefähr einem Jahr erhält sie die endgültige Prothese. Die 15 Mitarbeiter der Orthopädietechnik sind auf Orthektik und Prothetik in Sonderbauweise spezialisiert, fertigen zwischen 300 und 500 Prothesen pro Jahr an. Spörer arbeitet schon lange mit der BGU zusammen. „Unser Motto ‚Alles aus einer Hand’ wird auch hier umgesetzt, die Patienten werden nicht nur prothetisch, sondern auch psychologisch betreut“, erklärt Prof. Dr. Dr. Reinhard Hoffmann, Ärztlicher Direktor der BGU. „Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist uns wichtig“, bekräftigt Tepper.

Claudia Stiefel kann mit ihrer Prothese sogar Treppen steigen – ganz erstaunlich. „Es fühlt sich fast an, wie ein eigenes Bein, die Schmerzen werden weniger. Und mit jedem Schritt ist mehr Bein zu fühlen“, sagt die Frau, die früher gern joggte und das auch wieder tun möchte. „Das wird sie“, meint Tepper, „sie ist aktiv dabei und übt viel.“

Noch ein Aktiver ist in der Pflegestation für Rückenmarkverletzte anzutreffen. Der 20-jährige Vincent Kast brach sich 2016 bei einem Sprung vom Seeufer ins Wasser mehrere Nackenwirbel – in Australien. Als er transportfähig war, kam der gebürtige Frankfurter per Flugzeug und unter Beatmung in die BGU, lag zunächst auf der Intensivstation, bevor er auf die Spezialstation wechselte. Das Zimmer für Rückenmarkverletzte ist besonders ausgestattet, hell, freundlich, geräumig. Kast gehört zu den 254 Rückenmarkverletzten, die 2016 aufgenommen wurden. Er musste alles wieder lernen; atmen, erste Bewegungen, ist geduldig und zuversichtlich: „Man muss versuchen, alles herauszuholen. Ich will weiter leben, habe noch Sachen offen“, sagt der motivierte junge Mann, der im Sommer seine eigene Wohnung beziehen und ab Herbst Physik studieren möchte. Er war der erste Patient auf der neuen Station: „Es ist familiär, alle bemühen sich, das motiviert.“

„Die Therapie dieser Patienten ist sehr aufwändig. Mit Kosten- oder Fallpauschalen kommt man hier nicht weiter – etwaige dahingehende Überlegungen lehnen wir strikt ab“, machte Prof. Dr. Dr. Hoffmann auf Konflikte aufmerksam. Ökonomie und ärztliches Ethos passen gerade in diesem Fall schlecht zusammen.