Fast alle existenziellen Fragen werden die Geflüchteten für sich selbst beantworten müssen. Ihnen auf dem Weg in die Zukunft ein paar kleine Hindernisse aus dem Weg zu räumen, sie an das Leben hier in Deutschland, in Groß-Umstadt, zu gewöhnen, ihnen Fremdes verständlich zu machen, ein wenig Vertrauen aufzubauen und Mut zu machen, gehört zum menschlichen Selbstverständnis.
Dazu gehört auch, dass die Stadt alle Unterstützungsleistungen, die sie Geflüchteten ermöglicht, auch Einheimischen zukommen lässt. Wer dringend ein Kleidungsstück benötigt, kann es in der Kleiderkammer bekommen, wer an einem Sportkurs teilnehmen möchte, darf sich anmelden, und wer sich kein Fahrrad leisten kann, darf – wie die Flüchtlinge auch – ein gespendetes bekommen. Groß-Umstadt begreift alle diese Angebote als soziale Aufgabe für die ganze Zivilgesellschaft.
„Dazugehören gelingt aber immer noch am ehesten, wenn man mit anderen Menschen Kontakt hat, sich kennenlernt und gemeinsam etwas Schönes erleben kann. Ein nicht unwesentlicher Baustein dabei ist der Sport“, heißt es aus der Stadtverwaltung. In großen Kampagnen fordert er Respekt vor dem anderen, große Leistungsträger aus allen Winkeln der Welt gehören zum deutschen Sport, Weltmeisterschaften und die olympische Idee sind Garanten für das Miteinander. In Groß-Umstadt setzt sich vor allem Andrea Zemke für diese Ziele ein. Sie arbeitet geduldig und kämpft gegen manche Widerstände an, um sich für ein Miteinander, das immer nur dann gelingen kann, wenn nicht zuerst die Frage der Herkunft und des warum gestellt wird, einzusetzen. Trotz einigen schlechten Erfahrungen und Vorwürfe ist es ihr gelungen, zusammen mit dem beratungsNetzwerk hessen (www.haus-am-maiberg.de) Kinder und Erwachsene an das Groß-Umstädter Sportgeschehen heranzuführen.
Zemke war zunächst ehrenamtlicher Sport-Coach, seit Jahresbeginn ist sie mit ein paar Wochenstunden im Auftrag der Stadt Groß-Umstadt unterwegs. Sie ist Mitglied im Vorstand der Sportjugend Hessen, also mitverantwortlich für das Landesprogramm zur Integration im Sport. Als eine von 330 Sport-Coaches in den 426 hessischen Kommunen, ist sie in Groß-Umstadt aktiv und im neuen Büro der kommunalen Migrationsbeauftragten im Juz beziehungsweise per E-Mail (andrea.zemke[at]gross-umstadt[dot]org) zu erreichen.
In Groß-Umstadt ist sie Ansprechpartnerin für alle, die Unterstützung und Hilfe benötigen aber auch für Vereine, die nicht so genau wissen, wie man mit den „Neuen“ umgeht: ob und welchen Beitrag man erhebt, wie man Trikots oder sonstiges Equipment beschafft oder ob man gar die Gemeinnützigkeit riskiert? Gerne nennt sie als gutes Beispiel die Spielvereinigung, die schlicht gebeten hatte „schickt mir Leute“. Dann hat man eine Gruppe gebildet und mit dem Training begonnen. Vereine haben längst gelernt, Ausrüstung auszutauschen oder Secondhand-Trikots zur Verfügung zu stellen.
Sehr eindrücklich war das Ergebnis einer Befragung, welchen Sport sich die Geflüchteten wünschten: die allermeisten wollen schwimmen lernen. So konnten dank großer Unterstützung durch die Bürgerstiftung bereits 2015 und 2016 mehrere Anfängerkurse durchgeführt werden, am Ende konnten alle Teilnehmer selbstständig Bahnen ziehen. Weitere Schwimmkurse sind angedacht, kurz vor dem Start ist eine Schulung zur Verkehrserziehung für alle, die sich beim Radfahren unsicher fühlen geplant – Gespräche mit der Verkehrswacht laufen, die Bedeutung von Schildern und Grundbegriffen im Straßenverkehr vermittelt der ehrenamtliche Deutschunterricht. Fürs nächste Jahr ist schon ein internationaler/integrativer Stadtlauf angedacht, der im Oktober nächsten Jahres stattfinden könnte. „Mit ein paar Stunden Sport pro Woche gelingt Integration und Teilhabe sehr gut und schnell, auch für 2018 ist mit der Landesförderung zu rechnen. Geld, das ausgegeben wird für die Schulung der Sport-Coaches, fürs Qualitätsmanagement, für die Kommunen, die Sport-Coaches und vieles mehr. In Groß-Umstadt ist das meiste erfolgreich auf den Weg gebracht“, so das Fazit der Stadtverwaltung.