Integration durch die Sesamstraße US-Amerikaner Lamar Gary lebt Vielseitigkeit

Ob Sprachschule, Englischunterricht oder Basketball-Training: Heute ist Lamar Gary voll und ganz im Landkreis angekommen.  Foto: Löw

Roßdorf (kl) – Dass Sprache der Schlüssel zur Integration ist, hat der gebürtige US-Amerikaner Lamar Gary erfahren. Heute führt der Roßdörfer ein Leben, in dem Artikulation die Hauptrolle spielt. Das war jedoch nicht immer so.

Lamar Gary hat viel zu erzählen. Von einem aufregenden Leben in New York, von seinem Studium in Virginia, in dem er Drehbücher schrieb, seiner Fantasie freien Lauf lassen konnte. Fragt man den 39-Jährigen über seine Vergangenheit in den USA, könnte man mit den Infos Seiten füllen. Doch seine eigentliche Geschichte beginnt 2004, als er eine Roßdörferin in den USA kennenlernt, sich verlieb, und beschließt, sie im Landkreis Darmstadt-Dieburg wiederzutreffen. „Den einzigen Brocken Deutsch, den ich konnte, war ‘Frankfurter’, aber auch nur wegen Hot Dogs“, scherzt Gary.

Doch kaum in Roßdorf angekommen, überrumpelt den damals 27-Jährigen ein Kulturschock, mit dem er so nicht gerechnet habe. „Ich konnte mich nur mit meiner Frau verständigen und habe mich in den ersten Tagen gefragt, wie ich hier überleben soll“, erinnert sich der heutige Vater von zwei Kindern. Ab diesem Zeitpunkt habe für ihn festgestanden, dass er an seiner Situation etwas ändern müsse. Da jedoch das Geld für einen Deutschkurs zu knapp war, entschied er sich für die etwas weniger professionelle Variante: „Learning durch Fernseher.“ So verbrachte er seine ersten Monate im Landkreis vor allem auf der Couch, vor dem TV. „Ich schaute das Vormittagsprogramm rauf und runter.“ Talkshows und Quizsendungen – und vor allem das ständige Zuhören – festigten seinen Wortschatz. Mit dem Neffen seiner Freundin schaute er regelmäßig die Sesamstraße, „So gelingt Integration gleich auf zwei Ebenen, nämlich kulturell und sprachlich.“ Noch einigen Monaten – zwischen Talks-Shows, Nachrichten und Soaps – konnte Gary ins echte Leben einsteigen. Er traf die Freunde seiner Lebensgefährtin und konnte selbst Bekanntschaften schließen. Sich mit diesen Leuten in seiner Muttersprache zu unterhalten, habe er nicht gewollt. Denn er habe den Anspruch gehabt, sich zu integrieren und einen Schritt auf die Roßdörfer zuzugehen, erklärt er.

Um andere vor solchen Erlebnissen zu bewahren, entschloss er sich 2013 dazu, in Roßdorf eine Sprachschule zu eröffnen. Bei „Lamarvelous English“ bietet er Privatunterricht bis hin zu Online-Kurse an, um sowohl Schüler, Stundenten als auch Rentner in Englisch zu unterrichten – und bestreitet damit seinen Lebensunterhalt. Damit Schüler auch mit Muttersprachlern in Kontakt kommen können, plant er auch schon ein neues Projekt. An der Darmstädter Lichtenbergschule ist er Gastsprecher, damit die Jugendlichen die Gesprächs-Situation mit Muttersprachlern im gewohnten Umfeld trainieren können. „Denn das ist schon etwas anderes als normaler Unterricht. Ich habe Slang in meiner Aussprache, spreche schneller und benutze andere Vokabeln als die Lehrer“, schildert Gary. Dabei ist nicht zu übersehen, wie sehr er für seine Tätigkeit brennt. Nebenbei trainiert er außerdem die U10- und U12-Basketballmannschaft der SKG Roßdorf und ist dort bekannt wie ein bunter Hund. „Das Training ist halb englisch, halb deutsch. Die Eltern lieben das, da die Kinder so Sport treiben und gleichzeitig noch eine Fremdsprache mitbekommen, ganz ohne Zwang.“ Und auch für die Zukunft hat der Familienvater einiges geplant – natürlich hat auch hierbei Sprache oberste Priorität. Er plant, seine Sprachschule auszubauen und dadurch Roßdorf mehr Leben einzuhauchen. Außerdem möchte er eine Talk-Sendung im Radio starten, in der er als Moderator über verschiedene Themen spricht – alles auf Englisch. „So können deutsche Zuhörer Schritt für Schritt, ganz nebenbei, meine Sprache lernen. So wie ich es vor über zehn Jahren mit dem Fernseher gemacht habe“, witzelt er. Auch auf die Frage, ob er meint, mit der Idee Erfolg zu haben, hat Gary sofort eine Antwort parat. „Ich habe, seitdem ich in Deutschland bin, immer das Gefühl, dass wir uns hier vor allem verschließen. Erst wenn es dann gut läuft, sagen wir, dass es ja klar war, dass es klappt. Hätte mir einer gesagt, dass ich mit der Sesamstraße und Vera am Mittag eine neue Sprache lerne, hätte ich ihn ganz sicher auch für verrückt erklärt. Heute denke ich da anders.“

‘ Weitere Infos unter www.321english.net