Von Heimweh und Hilfe in schwierigen Zeiten „Frankfurt liest ein Buch“ - Fechenheim liest mit

Gabriele Fachinger las im Rahmen der Aktion „Frankfurt liest ein Buch“ aus Anna Seghers’ „Das siebte Kreuz“. Foto: eis

Fechenheim (eis) – Bereits zum neunten Mal rief der Verein „Frankfurt liest ein Buch“ zu gleichnamiger Aktion auf. Mit zahlreichen Veranstaltungen wurde dieses Mal der Roman „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers zum Gesprächsstoff und Gemeinschaftserlebnis in Frankfurt. Auch die Katholische Öffentliche Bücherei (KÖB) der Herz Jesu-Gemeinde in Fechenheim beteiligte sich und lud zu einem Lesegespräch mit Diplom-Bibliothekarin und Literaturpädagogin Gabriele Fachinger.

Diese hatte bereits im Vorjahr im Rahmen eines Projekts einen Roman in Fechenheim vorgestellt. Fachinger veranstaltet Literaturgesprächskreise für Erwachsene und beteiligt sich auch seit Jahren an der Aktion „Frankfurt liest ein Buch“.

Gabi Fachinger schildert in der KÖB Anna Seghers' Lebensweg

Zunächst erzählte Fachinger etwas zur Entstehung des Romans und über den Lebensweg der Autorin. Anna Seghers war 1900 in Mainz unter dem Namen Netty Reiling geboren und Jüdin. 1925 heiratete sie einen ebenfalls aus einer jüdischen Familie stammenden Ungarn. Da sie sich zudem der kommunistischen Partei angeschlossen hatte, musste sie vor den Nationalsozialisten fliehen. Der Roman „Das siebte Kreuz“ entstand daher auch 1938 im Exil in Frankreich. Von dem Buch existierten drei Manuskripte. Eines wurde von der Autorin selbst verbrannt, damit es nicht bei ihr gefunden wurde. Das zweite hatte sie einem französischen Bekannten mitgegeben, der jedoch im Krieg fiel. Das dritte Exemplar gelangte schließlich über einen weiteren Bekannten, der in die USA emigrierte, zu einem Verlag nach Mexiko, der es 1942 auf Deutsch veröffentlichte. 1944 wurde das Buch in den USA verfilmt. Eine Kurzform des Romans sowie eine Comic-Version wurden amerikanischen Soldaten ausgehändigt, damit sie wussten, was sie in Deutschland erwartet. 1946 wurde das Buch in Ostdeutschland veröffentlicht, 1947 dann erstmals in Westdeutschland, fand dort aber lange Zeit keine Beachtung, da es von einer „kommunistischen“ Autorin stammte.

Im Buch spielen auch die Cassella-Werke und die Riederwaldsiedlung eine Rolle

Anschließend fasste Fachinger die Handlung des Buchs zusammen. In Osthofen, zwischen Mainz und Worms gelegen, befand sich das einzige KZ auf hessischem Boden (zu jener Zeit verliefen die Grenzen Hessens noch anders als heute). Dies war die Inspiration zur Entstehung des Romans. Wie Fachinger sagte, spielen in dem Buch auch die Cassella-Werke, die Riederwaldsiedlung und die Farbwerke Höchst eine Rolle. Die Geschichte spielt innerhalb von sieben Tagen im Jahr 1937. Sieben Insassen versuchen, aus dem Lager zu fliehen. Die Lagerleitung lässt sieben Kreuze errichten und kündigt an, dass binnen sieben Tagen alle Geflohenen dort hängen werden. Einem gelingt jedoch die Flucht.

Schwer auszuhaltende Kontraste: Apfelernte und brutale Szenen aus dem Lager

Eine zweite Erzählebene befasst sich mit einem Freund des letzten Flüchtigen und schließlich wird auch der Alltag geschildert und verschiedene Orte im Rhein-Main-Gebiet werden sehr genau beschrieben. Auch hat die Autorin einige hessische Begriffe eingebaut. „Die Kontraste sind manchmal schwer auszuhalten“, sagte Fachinger. So werde einmal die Apfelernte beschrieben, im nächsten Moment gebe es dann sehr brutale Szenen aus dem Lager.

Lob für Gabriele Fachingers Vorlesekünste

Natürlich las die Bibliothekarin auch einige Szenen vor, in denen der Geflohene dadurch Hilfe erfährt, dass einige Personen ein klein wenig persönlichen Mut zeigen. Einer Zuhörerin gefiel dies so gut, dass sie meinte: „Ich könnte Ihnen stundenlang zuhören – bis heute Abend!“ Gabriele Fachinger berichtete zudem, dass es seit Kurzem in Frankfurt einen „Anna-Seghers-Pfad“ gibt. Der mittlerweile 92 Jahre alte Sohn der Autorin war zudem zur Eröffnungsveranstaltung von „Frankfurt liest ein Buch“ in die Deutsche Nationalbibliothek gekommen und hatte sehr eindrucksvoll von der Zeit berichtet, in der das Buch entstand.

In „Das siebte Kreuz“ steckt viel Heimweh

Viel Heimweh stecke in dem Buch, stellte Fachinger abschließend fest. Es zeige, dass Menschen sich an ihre Heimat binden. Für Anna Seghers habe Heimat Gemeinschaft, Zusammengehörigkeit und gegenseitige Hilfe bedeutet. Im Dritten Reich hätten die Nazis dies für ihre Zwecke ausgenutzt. Der Roman sei sehr symbolhaft, enthalte auch religiöse Elemente. Auffallend sei etwa die häufige Verwendung der Zahl sieben, die in früheren Zeiten als göttliche Zahl galt. Auch liege das KZ immer im Nebel, was ein Symbol für die Hölle sei.

„Das siebte Kreuz“ könne aber auch einfach als zeitgeschichtlicher Roman gelesen werden, der immer noch aktuell sei, stellte die Bibliothekarin fest. Wichtig sei, dass es immer wieder Menschen gebe, die anderen auch in schwierigen Zeiten helfen. „Ich selbst stelle mir dabei auch immer wieder die Frage: Was hätte ich damals selbst gemacht?“