Gastarbeiterkind mit Wurzeln im Koffer Lyrik-Lesung mit Tamara Labas im Café „Cult fee“

Lyrikerin Tamara Labas trug Poesie aus ihrem Gedichtband „zwoelf“ vor. Foto: sh

Fechenheim (sh) – Wer sich bei den eisigen Temperaturen zur Lyrik-Lesung mit Tamara Labas in das Fechenheimer Café „Cult fee“ gewagt hatte, wurde nicht enttäuscht. Die gebürtige Kroatin stellte ihren Gedichtband „Zwoelf“ vor und begeisterte die Besucher mit einer poetischen Reise durch die Jahreszeiten, auf der ganz verschiedene Facetten der Liebe und des Lebens beleuchtet wurden.

In Labas’ Gedichten finden sich zahlreiche Bilder aus der Natur. Von Bienen im Dotterblumenstaub, von fiependen Feldmäuschen und einem tanzenden Stier. Die Wiese, die Sonne und leuchtende Farben ließen die Zuhörer eine federleichte Sommeratmosphäre erleben. Doch Labas’ Gedichtband beinhaltet auch die Schattenseiten des Lebens: Ein sterbendes Kind, ein gerissenes Rehkitz und Krieg in der Heimat zählten zu den düsteren Themen, welche die Lyrikerin nicht ausgespart hatte. „Sie hat auch für schlechte Ereignisse schöne Worte gefunden“, kommentierte Zuhörerin Katharina Spandole, vom Fechenheimer Atelier „Katharinas Art“, die „negativen“ Werke der Poetin.

Tamara Labas' Gedicht „Wurzelkoffer mit Teddybär“ wurde in das Historische Museum aufgenommen

Ein besonderes Anliegen war es Labas, ihr Gedicht „Wurzelkoffer mit Teddybär“ vorzutragen. In diesem Zusammenhang berichtete die in Zagreb geborene Künstlerin von ihrer persönlichen Migrationsgeschichte, die symbolisch für alle Gastarbeiterkinder stehe, die durch das Hin und Her zwischen ihrer Heimat und Deutschland regelrecht traumatisiert wurden. „Es war ein wirtschaftliches Abkommen. Die Auswirkungen auf die Familien und vor allem auf die Kinder, die die Schwächsten sind, wurden nicht überdacht“, erklärte Labas. In ihrem Gedicht findet sich die Poetin an einem fremden Bahnsteig wieder, in der Hand ein Kunstlederkoffer, in den sie ihre Wurzeln gepackt hat. Der Koffer sei zur Last geworden, doch die Wurzeln so frisch und hübsch, dass sie sie einpflanzt, mit Wasser und Heimatwein gießt und ein Baum daraus wächst. Das Gedicht und ihren Teddybär, der sie seit ihrer Kindheit begleitet hat, hat Labas erst kürzlich dem Historischen Museum Frankfurt für seine Sammlung zur Verfügung gestellt.

Kurze Poesie um Liebe in ihren unterschiedlichen Facetten

Zum Abschluss trug Labas eine Reihe kurzer Gedichte vor über zwischenmenschliche Liebe – ebenfalls in ganz unterschiedlichen Facetten. Die Besucher hatten zudem die Möglichkeit, eigene Assoziationen auf Postkarten zu notieren. Von diesen Gedankenblitzen wird sich Tamara Labas wieder zu neuen Gedichten inspirieren lassen.