Diakon Carsten Baumann leitet seit 2016 die Bahnhofsmission „Es sind 1000 kleine Geschichten“

Carsten Baumann ist mit Leib und Seele Leiter der Bahnhofsmission. Foto: Rolf Oeser/p

Bahnhofsviertel (red) – Drinnen in der Bahnhofsmission am Gleis 1a des Frankfurter Hauptbahnhofs fällt Carsten Baumann sofort auf zwischen den Mitarbeitern in blauen Westen mit dem Logo der Bahnhofsmission. Er trägt eine runde rote Brille, Hemd mit Manschettenknöpfen, karierte Hose, Lederschuhe. „Geschniegelt“, sagt Baumann und grinst. So steht der Leiter der Bahnhofsmission auch draußen vor der Tür zwischen den Klienten, schraubt schon mal Glühbirnen ein, schaut nach der kaputten Toilette, klebt Pflaster auf Wunden, hält Vorträge vor Polizistinnen und Bankern.

„Als Typus passte ich nie in die Soziale Arbeit“, sagt der 53-Jährige. Aber er ist einer, der sich kümmert, und zwar sofort. Für den psychisch Erkrankten, den ein Passant auf dem Rücken von den Straßenbahngleisen in die Bahnhofsmission getragen hatte, rief er den Notarzt, um den Mann in einer Fachklinik unterbringen zu lassen. Mit der Bemerkung, da könne er ja gleich das ganze Bahnhofsviertel mitnehmen, fuhr der Notarzt wieder davon. Baumann erinnert sich noch gut, wie er kurz darauf den Mann, dessen Herz stillstand, vergeblich versuchte, wiederzubeleben. „Ich sehe mich noch heute hilflos neben ihm sitzen.“ Seitdem hängt ein Defibrillator in der Bahnhofsmission, Baumann besprach noch mal eindringlich mit Polizei und Rettungsdienst, wie sie mit dem Patienten umgegangen waren. Es war zwar gelungen, ihn wiederzubeleben, aber er hatte schwere Schäden davongetragen.

Nicht nur Begegnungen wie diese, die sich für immer einbrennen, erlebt der evangelische Diakon. Vielmehr sind es „1000 kleine Geschichten.“ Zuhause, an der Nahe, wo er mit seiner Frau und drei Kindern lebt, predigt Baumann alle zwei Monate im Gottesdienst – hautnah aus dem Leben erzählen kann er viel. „Eigentlich bin ich ein Beständiger“, sagt er. Nach seiner theologischen und sozialberuflichen Ausbildung blieb er 28 Jahre bei der Stiftung Kreuznacher Diakonie, leitete ein Heim mit 150 Plätzen für Menschen mit Behinderung, koordinierte ein Zentrum mit 400 Personen. Ein anstehender Strukturwandel bewog ihn, zu wechseln. Baumann ist glücklich mit der Entscheidung, in der Bahnhofsmission ist er genau am richtigen Platz.

Nicht abzustumpfen, sich an gewisse Dinge nicht zu gewöhnen, das schärft Baumann seinen ehrenamtlichen Mitarbeitern ein. Er führte in der Bahnhofsmission kostenlose Toiletten für jedermann ein und warme Duschen ohne Zeitbegrenzung. Ganz hinten durch geht es zum Notapartment für Frauen mit Gewalterfahrung. Es ist oft belegt. Baumann möchte die Bahnhofsmission erweitern und modernisieren. Das geplante Hygienecenter für Wohnungslose ist das große Zukunftsprojekt. 45 Ehrenamtliche unterstützen die 17 Hauptamtlichen, die Tag und Nacht Dienst in der Frankfurter Bahnhofsmission leisten.