Böhse Onkelz versetzen das Waldstadion in Euphorie und Ekstase 42 Jahre „Krach und Poesie“ gefeiert

...während das Publikum Sänger Kevin unterstützt.

Sachsenhausen (jdr) – Tropfender Schweiß, Euphorie, Stimmung: Nachdem sie mit „Zehn Jahre“ und gewaltigem Pyro-Knall zum Einstieg die Menge voll angeheizt haben, klingt „So sind wir, das ist unser Leben, was kann es Schöneres geben, als ein Onkel zu sein?“ durch das Waldstadion. Gefeiert wurden am Wochenende 42 Jahre Bandgeschichte: Ihren eigentlich runden Geburtstag – durch die Corona-Einschränkungen plus zwei Jahre – haben die Böhsen Onkelz in ihrer Heimatstadt Frankfurt zelebriert. Gleich an zwei Abenden mit insgesamt annähernd 100.000 Fans im Deutsche Bank Park, zuvor bereits mit Tausenden in der Jahrhunderthalle. Unter „freiem“ Himmel haben es die Musiker um Frontmann und Bassist Stephan Weidner richtig krachen lassen:

Es ist bei weitem nicht das erste Onkelz-Konzert, das ich besuche. Vor ihrer Trennung 2005 habe ich die Rockband viele Male live erlebt, mehrfach in der Festhalle. Dann die Reunion 2014: Ein Riesen-Comeback am Hockenheimring. Die Wiedervereinigung bringt auch die „Nichten und Neffen“, die treuen Fans der Deutsch-Rocker, wieder zusammen. Zwar ist einiges vorgefallen in der Zwischenzeit – Sänger Kevin Russell baut unter Drogen einen schweren Unfall, verletzt Menschen, wandert ins Gefängnis, sitzt die Strafe mehr oder weniger ab und entschuldigt sich. Die Band ist wieder in aller Munde.

Doch die Böhsen Onkelz wären nicht die Onkelz, wenn sie nicht immer wieder aufstehen würden: Nicht nur predigen, sondern (an sich) arbeiten! Es ist nie zu spät. Getreu eines ihrer Lieder wollen sie mit ihren Fans „lieber stehend sterben als kniend leben“.

Es wird gemunkelt, den Musikern sei das Geld ausgegangen, nur deshalb werde wieder gespielt, neue Alben aufgenommen („Memento“ 2016, „Böhse Onkelz“ 2020). Eine rechte Gesinnung wird von mancher Seite noch immer angelastet. Die Fans aber wissen es besser – und wer einmal bei den „Wilden Jungs“ auf einem Konzert war, weiß auch, dass es sich lohnt. Power, Musik, Rausch: „Ich stehe auf, wie aus der Sage. Mit neuer Kraft aus der Niederlage. Kämpfen macht dich stark, nicht das Gewinnen, nach dem Fallen wieder aufstehen und von vorne beginnen“ (aus „Wie aus der Sage“) ist die immer währende Botschaft.

Kevins Stimme wirkt nicht mehr brüchig wie vor ein paar Jahren in der Festhalle, sie klingt wie früher. Das Feeling ist das gleiche wie immer, es spiegelt Zusammenhalt, ganz viel Gefühl und gibt den Anwesenden Kraft.

Dem Publikum im Waldstadion jedenfalls gefällt’s: Wenn zig tausend gemeinsam „Böhse Onkelz immer wieder. Sie sind ein Teil von meinem Leben“ grölen, Kevin und Weidner abwechselnd emotionale, aber auch aufbauende und pushende Storys durchs Mikro jagen, während Pe das Schlagzeug peitscht und Gonzo die Saiten zum Glühen bringt, dann kann ganz Sachsenhausen gefühlt nur zu einer allgegenwärtigen Riesen-Gänsehaut verschmelzen.

Natürlich ist wie immer eine gehörige Portion Gesellschaftskritik dabei – auch beim ersten Mal seit Corona. Die Einschränkungen der Pandemie, keine Live-Konzerte, die so lange anhaltende Sehnsucht, all das hat jetzt nur noch mehr angespornt. Das spüren alle am Freitagabend: Die den Onkelz typische Melancholie mischt sich mit der charakteristisch bezeichnenden Euphorie, die diese Band so einzigartig erscheinen lässt. Diese Stimmung können nur die Böhsen Onkelz und ihre Anhänger.

„Die Stunde des Siegers“, „Nichts ist für die Ewigkeit“, „Narben“, „Kirche“, „Terpentin“ – gespielt werden die Klassiker, und der Riesenchor singt jeden Ton mit. Natürlich auch bei den „neuen“ Liedern wie „Kuchen und Bier“ oder „Ein Hoch auf die Toten“. Hinzu kommt, dass die Location, das gute alte Waldstadion, ja auch irgendwie der Band eigene Garten, ja ihr Zuhause, ist. Es birgt „Erinnerungen“. Da trinkt man natürlich „Auf gute Freunde“ und hat erfahren: „Nichts ist für die Ewigkeit“. Man weiß um das Leben und, „das, was hier passiert“, hat so viele Erfahrungen gemacht, kennt sich aus mit Rückschlägen, weiß aber auch darum, dass es die andere Seite noch gibt. Und, dass man etwas dafür tun kann, ja muss, um zu leben.

Diese Band – besonders jetzt wieder live – zu hören, bedeutet zu (über)leben, davon zu singen. Einander zu verstehen – und keine Emotion außer Acht zu lassen. Gemeinsam! Füreinander da sein, sich als Fangemeinschaft und Band verbunden fühlen.

Als Zugaben dürfen auch „Viva los Tioz“ und „Mexico“ natürlich nicht fehlen. Und dann noch einer zum wahren Abschluss. Band und Fans singen in Eintracht noch einmal: „Was kann es Schöneres geben, als ein Onkel zu sein?“ Mehr Gefühl geht einfach nicht. Ein Wahnsinnsabend für alle Beteiligten!

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