Bei dem Foto handelt es sich um eine Aufnahme des englischen Fotopioniers William Henry Fox Talbot, dem Erfinder des Negativ-Positiv-Verfahrens. Aufgenommen wurde es im Oktober 1846 aus dem Fenster seines Zimmers im Hotel „Russischer Hof“ (heute ungefähr an der Stelle des My-Zeil-Centers) mit Blick auf die Zeil in Richtung Westen zur Hauptwache. Der Engländer war damals privat auf einer Rheinreise mit einem Zwischenstopp in Frankfurt.
Dass es sich um ein Original von Talbot selbst handelt, beweist der Schriftzug darunter. „Wir haben es mit einer Schrift von Talbot verglichen, es ist die gleiche“, erläutert Archivar Tobias Picard, der sich intensiv mit der Fotografie auseinandergesetzt hat. „Street at Frankfurt. Gloomy Day. 35 Minutes in Camera“ (Straße in Frankfurt, trüber Tag, 35 Minuten in der Kamera) hat Talbot damals darunter notiert.
Die historische Aufnahme ist in Frankfurt nicht unbekannt, nur war sie bislang im privaten Besitz und damit der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Das soll sich nun ändern. Auf der Internetseite Wikipedia ist das Bild bereits zu sehen, auch in der Archivdatenbank Arcinsys ist es jetzt zu finden. „Als frühestes fotografisches Stadtbild ergänzt und bereichert es nun den umfangreichen Fotobestand. Es handelt sich um ein wertvolles Einzelstück aus der Frühzeit der Fotografie“, sagt Kiermeier.
Die Fotosammlung, vor rund 70 Jahren gegründet, umfasst inzwischen rund drei Millionen Fotos zu Frankfurt vom 19. Jahrhundert bis heute. Zwar gab es durchaus Fotos von anderen Fotografen aus der damaligen Zeit, jedoch sind diese nicht mehr erhalten. Picard erläutert, dass es für damalige Fotografen aus wirtschaftlicher Perspektive gesehen unattraktiv war, Aufnahmen von Gebäuden oder dergleichen anzufertigen. Der Fokus lag damals in erster Linie auf Porträtaufnahmen von Menschen. „Talbots Frankfurt-Aufnahme sticht aus dem Portfolio seiner bis heute existierenden Aufnahmen durch ihre gute Erhaltung hervor, sie ist von außergewöhnlich gutem Kontrast, sehr guter Durchzeichnung und hat eine herausragende Bedeutung für die Stadtgeschichte.“
Ina Hartwig, Kultur- und Wissenschaftsdezernentin, freut sich für das ISG: „Als ich von dem Foto gehört habe, war ich aufgeregt. Denn es stammt von einem bekannten, großartigen, englischen Pionier, der Technik- und Motivgeschichte in der Fotografie geschrieben hat.“ Der Nachwelt würden durch das ISG Quellen gesichert, ergänzt durch eine kenntnisreiche Beschreibung dessen, betont die Stadträtin.