Daten statt Dickicht: UAS-Projekt nutzt Künstliche Intelligenz zum Vergleich von Kennzahlen Auswertung von Nachhaltigkeitsreports

In Kleingruppen arbeiteten die Studierenden an der Frage, wie mittels KI bestimmte Daten aus den Nachhaltigkeitsreports ausgelesen und verglichen werden können.

Nordend-West (red) – Unternehmen einer bestimmten Größe müssen spätestens ab 2024 jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen – das hat die EU kürzlich beschlossen. Die CSRD-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive) verpflichtet Firmen, Infos zur Einhaltung von Umwelt-, Menschen- und sozialen Rechten sowie Governance-Faktoren (Führung) offenzulegen.

Aber wie lassen sich die wichtigsten Infos aus den komplexen Berichten schnell und einfach erfassen, vergleichen und somit besser nutzbar machen? Mit dieser Frage haben sich 45 Informatik-Studierende der University of Applied Sciences (UAS) bei zwei Projektmodulen beschäftigt. Eine Projektgruppe wird ihre Erkenntnisse nun gemeinsam mit Projektpartnern in konkrete Softwarelösungen umsetzen. Zudem entwickelten die Studierenden eine Open-Source-Plattform (kostenfrei nutzbar) mit den Reports und Kennzahlen, die für alle Interessengruppen frei zugänglich ist. „In den Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen stecken wertvolle Zahlen, etwa zu Umweltfaktoren wie CO2-Emissionen oder Abfallrecycling, aber auch zur Einhaltung von Menschenrechten und zu den Sozialstandards einer Firma. Diese Infos sind für viele Stakeholder (Anm. d. Red.: Interessengruppen) essenziell. So benötigen Banken die Daten, wenn ihre Kreditvergabe an bestimmte Kriterien geknüpft ist, oder Investoren, die sich an ökologischen und sozialen Standards orientieren wollen“, erklärt Martin Simon. Er ist Professor für Data Science an der UAS und hat Master-Studierende des Studiengangs Allgemeine Informatik bei dem Projekt betreut. Mit beteiligt an dem Projekt war das Frankfurter Unternehmen „right. based on science“.

Gabriela Alves Werb, Professorin für Betriebliche Informationssysteme an der UAS, ergänzt: „Das Problem ist, dass die Nachhaltigkeitsreports der Unternehmen sehr umfangreich und ganz unterschiedlich aufgebaut sind. Menschliche Leser bräuchten unglaublich viel Zeit, um die relevanten Daten aus den Dokumenten zu sammeln und so aufzubereiten, dass sie leicht verglichen werden können. Deshalb haben wir unsere Studierenden vor die Herausforderung gestellt, eine automatisierte Lösung für dieses Problem zu suchen.“

Alves Werb hat Master-Studierende des Studiengangs High Integrity Systems in Kooperation mit der Deutschen Bundesbank betreut. Die systematische Analyse der Reports und die daraus gewonnenen Erkenntnisse standen hier im Vordergrund. Die Projektteilnehmer arbeiteten im Wintersemester 2021/22 und im Sommersemester 2022 in Kleingruppen daran, geeignete Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) zu identifizieren, mit denen die Berichte ausgelesen werden können. Wichtige Fragestellungen waren etwa, wie Software die teils verklausulierte Sprache der Dokumente durchdringen kann und wie sich die in den Reports ganz unterschiedlich gestalteten Tabellen auslesen lassen. Auch die Möglichkeiten einer automatischen und interaktiven Visualisierung der Ergebnisse loteten die Studierenden aus.

Simon und Alves Werb ziehen ein positives Fazit: „Unsere Studierenden waren begeistert von der Möglichkeit, an einem technisch herausfordernden Thema zu arbeiten, das auch sehr aktuell und gesellschaftlich relevant ist. Projekte wie diese eröffnen ihnen die Chance, wichtige Einblicke in die Arbeitswelt zu gewinnen und dabei an der Bewältigung realer Herausforderungen zu arbeiten.“

Zur Visualisierung der extrahierten ESG-Kennzahlen (Environmental Social Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) sind die Nachhaltigkeitsreports auf der Webseite www.sustainabilitymonitor.org verfügbar. Mit den Firmen Adesso und Wepex wurde dazu eine Forschungszusammenarbeit initiiert mit dem Ziel, marktreife Produkte in Form von Softwarelösungen zur Informationsextraktion zu entwickeln.