Sensorischer Rundgang im Jüdischen Museum Mit Fingerspitzengefühl auf den Spuren der Geschichte

Fenja Fröhberg mit den taktilen Objekten Seder-Teller, Synagogen-Leuchter und Challa-Platte. Foto: Faure

Innenstadt (jf) – Fenja Fröhberg, im Jüdischen Museum am Bertha-Pappenheim-Platz zuständig für kulturelle Teilhabe und Inklusion, hat eine besondere Führung vorbereitet – einen sensorischen Rundgang.

Schon seit 2015 wurden Ideen für eine Exposition für Menschen mit Einschränkungen gesammelt. Ausstellungsmacher und Experten aus verschiedenen Organisationen wie dem Blinden- und Sehbehindertenbund erarbeiteten ein Konzept: Der Inhalt soll über zwei Sinne erschließbar sein. Die Designagentur Tactile Studio hat das Vorhaben realisiert.

Wer nicht gut sehen kann, erhält über fünf taktile Orientierungspläne Informationen über die Ausstellungsarchitektur. Kreise stellen Objekte dar, quadratische Raster weisen auf Sitzmöglichkeiten hin, der Text auf den Tafeln ist auch in Brailleschrift lesbar. Zwölf Taststationen ermöglichen es, zwölf ausgewählte Objekte in der Dauerausstellung mit den Fingerspitzen zu erkunden. Die Grundfarben sind immer Blau und Weiß, sie bieten einen guten Kontrast. „Natürlich sind alle taktilen und auditiven Stationen und die Pläne ins Hygienekonzept eingearbeitet worden und werden ohnehin ständig gereinigt“, ergänzt Fenja Fröhberg.

Dass es nicht nur ums Fühlen und Tasten geht, wird besonders im Themenbereich „Pracht der Gebote“ deutlich. Eine große Tafel enthält gleich drei Objekte, die mit den Fingerspitzen erfahren werden können: Eine Seder-Platte mit sechs halbrunden Wölbungen für Meerrettich, Apfel-Nuss-Mus, Ei, Knochen, Petersilie, Bitterkraut und einer Vertiefung in der Mitte für den Weinbecher. Im Zentrum der Tafel ist ein in einem Teilrelief modellierter Synagogen-Leuchter zu ertasten, rechts befindet sich eine Platte für das geflochtene Challa-Brot, das an jüdischen Festtagen gereicht wird. Komplettiert wird der Eindruck durch Wohlgerüche, die sich aus Röhren einatmen lassen, sowie einer Hörstation mit dem Klang eines Schofars.

Einige Gemälde, beispielsweise „Moses mit den Gesetzestafeln“ von Moritz Daniel Oppenheim, sind ertastbar. Dazu gibt es eine blaue Tafel, auf der ist links unten die Größe des Bildes im Vergleich zur Größe eines Menschen fühlbar. Dieser Maßstab ist übrigens auf jedem Objekt eingearbeitet. Wichtige Konturen und Besonderheiten des Bildes sind nachzuvollziehen.

„Es gibt zudem zahlreiche weitere Hörstationen, die Geschichten erzählen oder Objekte erläutern“, bemerkt Fenja Fröhberg. Und die Besucherbetreuer sind vor Ort ansprechbar. Die etwa 50 Guides wurden vor der Eröffnung des Museums Ende Oktober 2020 für das Thema Inklusion sensibilisiert.

Sonderführungen für Sehgeschädigte sind in Vorbereitung. Darüber hinaus wird ein Museumsflyer in leichter Sprache erscheinen. „Im Lauf des Sommers wird gleich im Eingangsbereich ein spezielles Modell präsentiert werden. Es bietet auf der einen Seite zweidimensional und auf der anderen Seite dreidimensional eine Orientierung zu den beiden Gebäuden des Museums“, erklärt die Mitarbeiterin.

„Es war schon eine Herausforderung, einen ganzen sensorischen Rundgang zu gestalten“, sagt Alexandra Verdeil, Projektmanagerin von Tactile Studio. Die 2009 in Paris gegründete Agentur mit einer Dependance in Berlin veranstaltete 2016 zunächst Workshops im Jüdischen Museum, entwarf dann erste Taststationen und einen Erzählpfad, Modellbauer fertigten die Objekte an, Besucher testeten schließlich den sensorischen Rundgang.

Diesen besonderen Gang durch den Lichtbau und das Rothschild-Palais des Jüdischen Museums kann nun wieder jeder nachvollziehen. Noch ist eine Anmeldung für ein bestimmtes Zeitfenster notwendig, das funktioniert online über juedischesmuseum.de.