Uni Frankfurt: Autoren diskutieren per Livestream über Populismus Gibt es einen Rechtsruck in der Literatur?

Diskutieren per Livestream (oben von links): Professor Johannes Völz, Lukas Rietzschel, und Beate Tröger, (unten von links): Jan Wilm und Tanja Rückers. Screenshot: Mohr

Frankfurt (zmo) – Wer eine renommierte Quelle sucht, von der er qualifizierte Antworten zum Begriff des „Populismus“ bekommen will, der sollte sich an Professor Johannes Völz wenden. Der Heisenberg Professor für Amerikanistik an der Uni Frankfurt und in den USA und seine Studenten haben sich zusammengesetzt, um zu diskutieren, „welchen Raum man populistischen Stimmen in der Literatur geben soll“. In den USA arbeitete Völz an dem Projekt „Ästhetik des Populismus“ und da kam er an Donald Trump nicht vorbei. Trump ist für ihn der Reality-TV-Star, der diese Diffamierungstechnik in den politischen Alltag befördert hat.

Gute Voraussetzungen für Johannes Völz, eine Diskussion über den Populismus zu leiten. So geschehen ist es per Livestream, dem sich auch interessierte Zuschauer anschließen konnten. Das Thema wurde ausgesucht und vorbereitet von Studenten der Uni Frankfurt. Mit dem Schriftsteller Lukas Rietzschel, der Autorin Tanja Dückers, der Literaturkritikerin Beate Tröger, dem Autor Jan Wilm und Professor Johannes Völz, ist es der Uni gelungen, hochkarätige Experten für diese Diskussion zusammenzubringen.

Einig waren sich alle, dass viele Künstler der schreibenden Zunft in ihren neuen Büchern eine andere, oft rechte Gesinnung andeuten, die man vorher so nicht bei ihnen kannte. Nicht immer offensichtlich, aber beim zweiten Hinschauen seien diese Veränderungen zu erkennen. Die Teilnehmer der Runde versuchen zu erklären, warum das so ist. „Geht der Bücherverkauf zurück, stehen Schriftsteller weniger im Blickpunkt, verändern dadurch ihre politische Richtung und versuchen dann, mit populistischen Themen mehr auf sich aufmerksam zu machen“, lautete eine Erklärung der Literaturkritikerin Beate Tröger.

Lukas Rietzschel wies in der Runde auf sein Buch „Mit der Faust in die Welt schlagen“ hin, in dem er beschreibt, wie zwei junge Menschen aus dem Osten das Ende der DDR und die Entwicklung bis heute erleben und wie sie mit dem politischen Populismus unterschiedliche Erfahrungen machten, was auch ihr Leben veränderte. „Man muss von Schriftstellern erwarten, dass sie sich ehrliche Gedanken machen über das, was sie schreiben. Nur Aufmerksamkeit erreichen zu wollen und provozierende Themen in den Vordergrund zu stellen, reichen einfach nicht für ein Buch“, sagte Rietzschel und ergänzte: „Dass sich Leser von Büchern mit rechtem Gedankengut auch infizieren lassen, sollte Schriftstellern bewusst sein.“ Johannes Völz betonte: „Vor allen Dingen müssen wir erreichen, dass in der Literatur auch aus den Inhalten der Bücher heraus Debatten ausgelöst werden. Unklare politische Ansichten müssen ausdiskutiert und ihnen muss gegebenenfalls widersprochen werden.“

Der Autor Jan Wilm glaubt allerdings, „dass die Literatur an Bedeutung verloren hat. Es werden weniger Bücher verkauft. Schriftsteller müssen sich überlegen, wie sie mit welchen Themen mehr Aufmerksamkeit erreichen können. Ein Rechtsruck in der Literatur kann jedoch eine Gefahr für die demokratische Literaturkultur sein“. Für die Buchkritikerin Tanja Rückers „hat sich das Lesen in den letzten Jahren sowieso deutlich verändert. Der Literaturbetrieb ist wesentlich heterogener geworden. Bedenklich ist es auch, dass im Wahlprogramm der AfD der deutsche Kulturbetrieb sowieso völlig anders interpretiert wird“.

Der Tenor aller Teilnehmer war: „Man wird abwarten müssen, wie sich der mögliche Kulturkampf in Zukunft entwickeln wird.“