Auf Entdeckungsreise in den Frankfurter Stadtteilen Heddernheim: Alte Römer, bunte Narren

An der Nutria-Füttertreppe wird man schon erwartet. Bild: -

Frankfurt (sh) – Nennt man einen Frankfurter Stadtteil, hat fast jeder ein bestimmtes Wahrzeichen, etwas für den Stadtteil Typisches oder auch ein Klischee vor Augen. Redakteurin Sabine Hagemann hat die Frankfurter Stadtteile besucht, sie erlaufen, auf sich wirken lassen und sich umgeschaut, was es dort neben den üblichen Sehenswürdigkeiten noch so gibt.

Heddernheim gilt als Frankfurts Fastnachtshochburg und ist auch unter dem Namen „Klaa Paris“ bekannt. Es ist noch nicht allzu lange her, da schlängelte sich dort der Klaa Pariser Fastnachtszug durch die Gassen und tatsächlich liegen noch einige besonders hartnäckige Konfetti am Straßenrand. Neben närrischem Brauchtum ist in Heddernheim die Römerzeit ausgesprochen lebendig. Zudem begegnet man feuerspeienden Drachen und putzigen Nagern. Doch der Reihe nach.

Los geht meine Tour an der U-Bahnstation „Sandelmühle“, denn dort ist es nicht weit zum Hundertwasser Kindergarten. Der österreichische Künstler Friedensreich Hundertwasser hat das verspielte Gebäude mit dem goldenen Zwiebelturm, gewellten Mauern und bunten Säulen konzipiert. Auf dem Kita-Gelände befand sich bis 1982 das Werk der Vereinigten Deutschen Metallwerke VDM, der Name der Straße Kupferhammer lässt noch auf die metallverarbeitende Industrie schließen.

Vorbei am Unternehmen Diehl Aerospace, einem der größten deutschen Zulieferer von Luftfahrt-Elektronik, laufe ich Richtung Urselbach. Dort befindet sich der Campingplatz „City Camp Frankfurt“, der allerdings noch bis Ende April geschlossen ist. Ich umrunde die Sportanlage Brühlwiese, wo der SV 07 Heddernheim kickt und Leichtathletik trainiert werden kann. Ich begebe mich zur Urselbachmündung, wo der kleine Fluss in die Nidda fließt. Im Hintergrund rauscht das Eschersheimer Wehr. Ein Stückchen weiter die Nidda entlang und unter der Maybachbrücke hindurch komme ich zur „Nutria-Füttertreppe“, wo mir schon drei neugierige Biberratten entgegenkommen und auf ein Leckerli hoffen. Leider habe ich als Wegzehrung nur Frankfurter Haddekuche dabei, den ich als nicht für Tiere geeignet einstufe.

Ich gehe die beschauliche Straße Alt-Heddernheim entlang und hätte fast die Bendelgasse verpasst, die wohl Frankfurts schmalste Gasse sein dürfte. Sie ist Fußgängern vorbehalten und selbst für die wird es dort eng. Weiter geht’s zum Heddernheimer Schloss mit seinem steinernen Wappen an der Wand. Es wurde 1908 von der Stadt Frankfurt gekauft und beherbergt neben Wohnungen unter anderem die Geschäftsstelle der „Heddemer Käwwern“ und das Klaa Pariser Fastnachtsmuseum, das an jedem ersten und letzten Samstag im Monat von elf bis 14 Uhr geöffnet ist. Da das Anwesen für viele Jahre an das Auguste-Victoria-Stift verpachtet war, wird das Gebäude auch häufig als „Stift“ bezeichnet. Gegenüber befindet sich der Stiftsgarten mit einem Pumpenbrunnen, der der „Gemaabump“ („Gemeindepumpe“) gleicht, die aber vor dem Haus Alt-Heddernheim 47 steht. Eine Nachbildung der Gemaabump ist fester Bestandteil des Klaa Pariser Fastnachtszugs.

In Heddernheim befand sich die römische Stadt Nida, daher begegnet einem viel Geschichtliches. Allein die Straßennamen lesen sich wie das „Who is who“ römischer Machthaber: Titus, Hadrian, Tiberius, Konstantin, Marc Aurel … Es verwundert nicht, dass das Archäologische Museum per Schautafeln zu archäologischen Rundgängen ermuntert. Ich suche an der Ecke In der Römerstadt/Wenzelweg eine römische Türschwelle auf, die ich ohne vorherigen Hinweis nicht als solche identifiziert hätte. Dann mache ich mich auf den Weg zur Grünfläche „Am Bubeloch“ an der Nidda, denn dort befindet sich – ein wenig versteckt – zwischen Ringmauer und Kleingartenanlage ein römischer Brunnen. Das „Bubeloch“ heißt laut Internetseite heddern heim.de übrigens so, weil es dort, bevor die Nidda begradigt wurde, eine Badestelle gab. Die war Kindern vorbehalten – und da nur den Buben.

Doch auch Zeitzeugen jüngerer Vergangenheit begegnen dem Spaziergänger in Heddernheim: Es gibt drei Luftschutzbunker von denen zwei – der an der Hadrianstraße in der Nähe der U-Bahn-Station „Römerstadt“ und jener an der Heddernheimer Kirchstraße mit seinem markanten Treppenhausturm – als Musikbunker fungieren. Im dritten, an der Brühlstraße, sind Wohnungen entstanden.

Und aus noch jüngerer Vergangenheit stammt die Ernst-May-Siedlung. Wer sich für den charakteristischen Baustil der frühen Moderne in Frankfurt interessiert, der findet Im Burgfeld 136 den Sitz der Ernst-May-Gesellschaft in einem besuchbaren Musterhaus mit Dauer- und Wechselausstellungen.

In einem großen Bogen laufe ich wieder zurück und passiere auf meinem Weg zum Müllheizkraftwerk der Frankfurter Entsorgungs- und Service GmbH (FES) das Domizil der Turnerschaft Heddernheim sowie die evangelische St. Thomasgemeinde und die katholische Kirche St. Peter und Paul.

Weithin sichtbar ist der Schornstein des Müllheizkraftwerks. Er fällt vor allem durch seine Bemalung mit dem Drachen „Fessie Feuerspei“ auf – dem Maskottchen der FES. In der Nähe, am Zeilweg/Ecke Oberscheider Weg, befand sich in der Zeit des Nationalsozialismus’ das einzige Frankfurter Arbeitserziehungslager. Von 1942 bis 1945 sollen dort rund 10.000 Deutsche und Ausländer unter grauenvollen Bedingungen inhaftiert gewesen sein. Eine Gedenkstätte erinnert an das Lager. Das Mahnmal besteht aus einer Stahlpyramide und einem vergitterten Raum, in dem ein rotes LED-Textlaufband über den Ort informiert.

Den Nachhauseweg trete ich über das Nordwestzentrum mit seinen zahlreichen Geschäften, Dienstleistern und eigener U-Bahnstation an. Wäre nicht Sonntag gewesen, wäre ich sicher noch ein bisschen bummeln gegangen.

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