Auf Entdeckungsreise in den Frankfurter Stadtteilen Nieder-Erlenbach: Ein Ausflug aufs Land

Um den reich verzierten Gedenkstein sind fünf kleinere Grenzsteine gruppiert.

Frankfurt (sh) – Nennt man einen Frankfurter Stadtteil, hat fast jeder ein bestimmtes Wahrzeichen, etwas für den Stadtteil Typisches oder auch ein Klischee vor Augen. Redakteurin Sabine Hagemann hat die Frankfurter Stadtteile besucht, sie erlaufen, auf sich wirken lassen und sich umgeschaut, was es dort neben den üblichen Sehenswürdigkeiten noch so gibt.

Mit dem Besuch von Nieder-Erlenbach steht eine echte Landpartie an. Es geht schon bei der Anreise los, denn der nördlichste Frankfurter Stadtteil ist nicht an das U- oder S-Bahnnetz angebunden. Von Nieder-Eschbach nehme ich den Bus, das geht flott und der Anschluss passt gut. Der Ort ist von Feldern umgeben, Landwirtschaft wird dort groß geschrieben. Die einzelnen Höfe lernt man wohl am besten beim jährlich im September stattfindenden Höfe-Fest kennen – das muss ich mir unbedingt merken!

Nach Frankfurt eingemeindet wurde Nieder-Erlenbach 1972 –das „50-Jährige“ wurde in diesem Jahr gebührend gefeiert. Allerdings besteht die Verbindung zu Frankfurt schon viel länger: Ab 1376 übte die Reichsstadt Frankfurt die Herrschaft in Nieder-Erlenbach aus und konnte dort Beamte zur Gerichtsbarkeit einsetzen. Der hübsche kleine Ort hat übrigens seine eigene Hymne. Das Erlenbachlied ist mit samt Noten auf der Internetseite nieder-erlenbach.net zu finden – und an allen Fest- und Feiertagen zu singen!

Ich starte meine Tour an der Bushaltestelle „Kurmarkstraße“ und begebe mich von dort zum Alten Friedhof, auf dem ich über die im gotischen Stil gehaltene Gruft der Familie Lersner staune. Weiter geht es zum Bürgerbrunnen im Ortskern. Der 1994 errichtete Brunnen ist ein ehemaliges Taufbecken. Sein Wasser bezieht er aus einem Reservoir – die Jugend der Nieder-Erlenbacher Freiwilligen Feuerwehr kümmert sich im Auftrag des Vereins Nieder-Erlenbacher Bürger darum, dass der Wasserspeicher immer gefüllt ist.

Ich schaue auf meinen Zettel, auf dem ich mir die Reihenfolge notiert habe, in der ich die Sehenswürdigkeiten des Stadtteils aufsuchen will, stecke ihn aber gleich wieder weg und lasse mich lieber von den kleinen, winkeligen Gässchen (ver)führen. Ich genieße den sonnigen Herbsttag in der Fachwerk-Idylle. Wieder begegnet mir die Frankfurter Patrizierfamilie von Lersner – in Gestalt des Lersnerschen Schlosses. Der ehemalige Gutshof verfügt über einen Park, angelegt als englischer Landschaftsgarten. In dem roten, barocken Gebäude wohnt es sich bestimmt schön. Ein anderes Patrizier-Anwesen ist das Herrenhaus von Johann Hieronymus von Glauburg, in der das Ganztagsgymnasium der privaten Anna-Schmidt-Schule in einem parkähnlichen Campus untergebracht ist. Die Adresse „Burggasse“ erinnert daran, dass es dort einmal eine Burg gab. Mühlen gab es ebenfalls, angetrieben durch den Erlenbach. In der Obermühle werden inzwischen spanische Weine verkauft und Konzerte veranstaltet. Das Fachwerkhaus der Untermühle ruht in einem üppigen Garten auf einem Feldsteinsockel.

Zum Ortskern gehören ebenfalls die Evangelische Kirche Nieder-Erlenbach, die bereits im Spätmittelalter errichtet wurde, und das dazugehörige barocke Pfarrhaus, das mittlerweile in Privatbesitz ist. Ebenso begegnet dem Spaziergänger an der Straße Alt-Erlenbach das helle, klassizistische Rathaus.

Im November 2009 wurde im Ortskern das Experiment „Shared Space“ gestartet: Auf einer Gemeinschaftsstraße sollten alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sein und sich dort mit gegenseitiger Rücksichtnahme fortbewegen. 2013 wurde das Projekt beendet, da die Straße ständig zugestellt gewesen sei und zu viele Autofahrer zu schnell unterwegs waren.

Ich laufe zum Bürgerhaus und passiere dabei die katholische Kirche Zum Guten Hirten, die von außen recht schlicht und nüchtern daherkommt. Hinter dem Bürgerhaus lässt es sich entlang des beschaulichen Erlenbachs wunderbar spazieren. Dort befindet sich der Gedenkstein, den man sich aufgrund der eingravierten Nieder-Erlenbacher Motive unbedingt einmal aus der Nähe anschauen sollte. Um ihn herum sind fünf kleine Grenzsteine gruppiert. Der Spazierweg führt mich vorbei an der Insekten-Blühwiese der Kita Mühleninsel, an Feldern, an der Tennisanlage des Tennis-Vereins Nieder-Erlenbach, am Schützenhaus des Schützenvereins und bringt mich schließlich zur TSG Nieder-Erlenbach. Unterwegs informieren Schilder des Vereins Nieder-Erlenbacher Bürger über die Ursprünge der Namen der Flurstücke wie „In der Höll“ und „Zum Schäferköppel“. Auf dem Gelände der TSG können sich Jugendliche und Erwachsene mit Körperkraft über die Hindernisse eines Parkourparks fortbewegen. Außerdem kann man sich in den Sommermonaten am freien Klettern am TSG Kletterturm versuchen.

Über „Am Riedsteg“ gelange ich in das Nieder-Erlenbacher Gewerbegebiet. Am Ortsrand gibt es einen Skatepark und den Neuen Friedhof. Ich begebe mich wieder zurück zum Ortskern und kann gerade noch „Knut“ um die Kurve huschen sehen. Der RMV-Rufbus ist in sieben nördlichen Stadtteilen als Shuttle im Einsatz. Ich überlege kurz, ob ich mich mit ihm zur U-Bahnhaltestelle Nieder-Eschbach bringen lassen soll, entscheide mich aber doch für den regulären Linienbus, der schon im Anmarsch ist.

Weitere Artikelbilder