Viele Klinikpflegekräfte haben in oder nach der Pandemie frustriert den Job verlassen, zu wenig Junge kommen nach – und die Klinikleitungen sehen, dass es auch mit weniger Personal halbwegs funktioniert. In einer ohnehin schon angespannten Personalsituation sind die wenigen, die noch da sind, überlastet – und fallen häufiger krankheitsbedingt aus, was noch mehr Druck erzeugt. Ein Teufelskreis, in dem Sode, Schorries und ihr Team dankbar sind, wenn von anderer Stelle Hilfe kommt, zum Beispiel in Form der ökumenischen Klinikseelsorge. Die darf zwar natürlich keine medizinischen Handgriffe erledigen, wohl aber den Patienten zuhören, kleine Gänge erledigen, all das tun, für das die Krankenschwestern und -pfleger schon lange keine Zeit mehr haben. „Die Not der Patienten ist groß, sie jubeln regelrecht, wenn wir das Zimmer betreten“, erzählt Sabine Bruder von der Klinikseelsorge an der Uniklinik. „Hauptsache, es kommt mal jemand.“ Gleichwohl betonte sie, dass die Krankenpflege und natürlich Ärzte noch mal ein ganz anderes Standing in der Patientenschaft hätten. Doch für die Dinge des alltäglichen Lebens, die in Notsituationen oft so wichtig werden, können Bruder und die katholischen und evangelischen Seelsorger eben unproblematischer für Entlastung sorgen. Nach dem „verschollenen Koffer“ fahnden, das Handy aufladen, beim Anruf zuhause helfen: Sabine Bruder und das Team helfen, so gut es geht. Wie oft sie schon in den Laden gegangen wäre und günstige Hausschuhe gekauft hätte, weil die Patienten darum gebeten hätten, könne sie gar nicht mehr zählen, sagte sie. Das Team an der Uniklinik besteht aus haupt- und ehrenamtlichen, katholischen und evangelischen Seelsorgern.
Für die Krankenschwestern Sode und Schorries, die von völlig überlasteten und dennoch sehr engagierten Ärzten und Pflegepersonal berichten, ist es einerseits emotional schwierig, derartige Berichte zu hören, denn früher gehörte es zum Job dazu, sich Zeit für die Menschen nehmen zu können – und diesen Teil ihrer Arbeit vermissen beide sehr. „Aber vor allem sind wir dankbar, auch im Namen der Patienten, für die Hilfe!“
Christof Mandry, Professor für Moraltheologie und Sozialethik an der Goethe-Uni, gab zu Beginn des Abends eine Einführung und Einordnung. Dabei wurde einmal mehr deutlich, wie sehr wirtschaftlicher Erfolg in der Klinikorganisation im Vordergrund steht. Damit die Finanzen stimmen, haben Kliniken laut Mandry verschiedene Optionen: Mehr lukrative Operationen „verkaufen“, viele Patienten mit finanziell vorteilhaften Diagnosen anziehen, teure Patienten wie Kinder, Alte und chronisch Kranke schnell wieder „loswerden“, die Liegedauer verkürzen und eben das Personal zu reduzieren und die Arbeit entsprechend zu verdichten. Dadurch ergibt sich ein ethisches Spannungsverhältnis, das in seiner Präsentation als „Normatives Dreieck der christlichen Sozialethik“ bezeichnet wird: „Gute medizinische Versorgung, Würde der Person und Sozialstaatsprinzip“ stehen an der Spitze, an den beiden anderen Kanten „Würde der Arbeit, Mitbestimmung, faire Vergütung und Arbeitsbedingungen“ sowie „Wirtschaftliche Mittelverwendung und Gemeinwohlwidmung“.
Aktuell arbeitet Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf eine Krankenhausreform hin. Die soll den Fokus weg von der Ökonomie und auf „mehr Medizin“ hinlenken, das bisher gültige Fallpauschalensystem soll weiterentwickelt werden.