Sabine Durst ist Leiterin des städtischen Kinderzentrums Odenwaldstraße 40 Jahre im Dienst der Kinder

Sabine Durst, Leiterin der Kindergrippe in Niederrad, arbeitet seit 40 Jahren mit Kindern zusammen. Foto: Stadt Frankfurt/Salome Roessler/lensandlight/p

Niederrad (red) – Man trifft sie auch schon mal in der Küche beim Gemüseschneiden, im adretten Businesskleid beim Laubharken im Garten – oder mit einem Besen in der Hand im Flur ihres Kinderzentrums in der Odenwaldstraße: Die Attribute zupackend, herzlich und engagiert scheinen für Sabine Durst erfunden worden zu sein. Die Geschichte der Erzieherin aus Berufung birgt die Erzählung einer willensstarken Frau, die sich Widerständen aktiv entgegenstellt und für das Erreichen ihrer Ziele kämpft wie eine Löwin.

Seit 2008 leitet die 60-Jährige die ursprünglich von der Familie von Weinberg gestiftete Kinderkrippe in der pittoresken „Villa von Weinberg“. Zunächst kommissarisch als stellvertretende Leiterin und seit 2013 offiziell. Mit ihrem Team aus zwölf Erzieherinnen, zwei Haushälterinnen und einer Köchin sorgt Durst für das Wohlergehen von 35 Kleinstkindern, jünger als drei Jahre. „Ein guter Chef ist oft derjenige, der sein Geschäft von der Pike auf gelernt hat und weiß, wovon er spricht“, kommentiert Durst ihren nimmermüden Einsatz zum Wohle „ihrer“ Kinder, deren Eltern, und nicht zuletzt ihrer Mitarbeiterinnen.

„Dieses Haus hat mich gerufen“, sagt Durst, wenn sie auf ihr Berufs- wie Privatleben zurückblickt. Dieses beginnt in der DDR, in Arnstadt bei Erfurt, als Tochter systemkritischer Eltern mit familiärer Bande nach Frankfurt. In der dritten Klasse habe sie das Angebot erhalten, auf eine Kaderschmiede für Leichtathleten oder Schwimmer zu wechseln. Der Preis: Die Familie müsse den Kontakt in den Westen abbrechen. Durst lehnte auf eigenen Wunsch ab. „Ursprünglich wäre ich gern Lehrerin geworden. Aber in der DDR hätte ich sehr, politisch’ unterrichten müssen“, sagt sie. Als Erzieherin nicht. Im Gegenteil. Hier kann sie dazu beitragen, den Allerkleinsten das Rüstzeug für ein gesundes und erfülltes Leben mitzugeben.

Nach der dreijährigen Ausbildung an der Fachhochschule Erfurt übernimmt Durst in Arnstadt 1981 ihre erste Kindergruppe. Als „ihre“ Kinder zwei Jahre später in den Kindergarten wechselten, habe sie drei Nächte geweint. Das habe sich inzwischen etwas gebessert, scherzt sie. Doch abseits der beruflichen Erfüllung trübt das Leben in der DDR das private Glück. Im April 1984 stellte sie mit ihrem Verlobten und späterem Ehemann Norbert einen Ausreiseantrag in den Westen. Die Folgen für ihn, Chemiker, waren: Jobverlust, Verhöre und 16 Monate Gefängnis.

„Ich durfte weiterarbeiten, habe aber täglich damit gerechnet, dass etwas passiert“, sagt Durst. Tatsächlich passierte etwas: Im Juli 1987 wurde ihr Mann vom Westen „freigekauft“. Am 15. August wurde auch ihr Ausreiseantrag bewilligt und Sabine Durst blieben exakt 7,5 Stunden, um sich von allen Ämtern abzumelden – erst dann habe sie in Erfurt das ersehnte Ticket für den Zug um 15.30 Uhr nach Frankfurt buchen können. „Hätte ich das nicht geschafft, hätte ich einen neuen Antrag stellen müssen. Das war der härteste Tag meines Lebens. Danach habe ich zwei Wochen nicht essen können“, sagt die Pädagogin.

Keine drei Monate später heuerte Durst als Erzieherin im heutigen Kindergarten Nordweststadt an. Dort blieb sie bis 2008. Höchste Ansprüche an sich und ihre Arbeit hat Durst aus einem Grund: Sie möchte auf ganzheitliche Art das Beste für die Kinder, die ihr täglich für einen Arbeitstag anvertraut werden.

Kommentare

Es ist schön, dass es solche

Es ist schön, dass es solche Menschen in dieser Stadt gibt.
Ein toller Artikel und eine tolle Frau. Ein Vorbild, sehr wichtig in dieser Zeit.