Auf Entdeckungsreise in den Frankfurter Stadtteilen Sossenheim: Satire und Schwefelwasser

An der St. Michaelskirche ist der Ortsmittelpunkt entstanden.

Frankfurt (sh) – Nennt man einen Frankfurter Stadtteil, hat fast jeder ein bestimmtes Wahrzeichen, etwas für den Stadtteil Typisches oder auch ein Klischee vor Augen. Redakteurin Sabine Hagemann hat die Frankfurter Stadtteile besucht, sie erlaufen, auf sich wirken lassen und sich umgeschaut, was es dort neben den üblichen Sehenswürdigkeiten noch so gibt.

Die erste Besonderheit, die beim Besuch von Sossenheim auffällt, ist, dass dort keine S-Bahn mehr hält. Ich fahre bis Eschborn-Süd und pirsche mich an den Stadtteil durch das Gewerbegebiet heran. In der Vorrecherche habe ich gelesen, dass um den Ortskern herum zahlreiche Siedlungen gebaut wurden. Der satirische Karikaturist und Mitbegründer der Zeitschrift „Titanic“, Chlodwig Poth, widmete seinem Wahl-Heimatstadtteil in der „Titanic“ bissige Zeichnungen unter dem Titel „Last Exit Sossenheim“. Er soll zudem den Begriff „Wohnkaff“ für Sossenheim geprägt haben. Ich erwarte also nicht allzu viel. Aber ich finde es überraschend heimelig dort!

An der Siegener Straße befindet sich die evangelische Kirche der Regenbogen-Gemeinde. Dort wird analog getwittert: An einem Holzbrett werden Zettel und Stift bereitgehalten und jeder, der möchte, kann seine Wünsche, Sorgen oder Grüße aufschreiben und an vormontierte Klammern hängen. Schräg gegenüber ist das Sossenheimer Volkshaus, dessen bewegte Geschichte auf Tafeln des Fördervereins 800 Jahre Sossenheim nachzulesen ist. Diese Tafeln mit dem Titel „Schlaglichter auf die Sossenheimer Geschichte“ finden sich an verschiedenen Orten im Stadtteil und berichten zum Beispiel von der Sossenheimer Freiheitsfahne, der Arbeiterbewegung, den Kerbeburschen und dem Faulbrunnen. Von wegen „Wohnkaff“: Die Sossenheimer scheinen sich durchaus mit ihrem Zuhause zu identifizieren, wenn sie ihre Geschichte so anschaulich lebendig halten.

Ein wahres Kleinod ist die Parkanlage Sulzbachtal an der A 66: Neben Hundeauslaufflächen und einem großen Spielplatz lässt sich hier die Natur genießen. Der Sulzbach schlängelt sich plätschernd durch die Landschaft, in der auch der seltene Speierling wächst.

Ich bewege mich langsam Richtung Ortskern, will mir aber erst noch kurz vor den Toren Höchsts die kleine Nothelferkapelle anschauen. Das denkmalgeschützte, neugotische winzige Bauwerk wirkt an der viel befahrenen Straße mit Blick auf moderne Gebäudekomplexe und ein imposantes Hochhaus wie aus der Zeit gefallen. Überhaupt fallen entlang der Straßen die verschiedenen Baustile auf, in denen die Wohnhäuser gehalten sind.

Der Ortskern hat ebenfalls einiges zu bieten: Urige Apfelwein-Gaststätten, die katholische Kirche auf dem Kirchberg, das ehemalige klassizistische Rathaus, in dem die Polizeistation untergebracht ist und die Alte Schule, in der sich das SOS Kinderdorf Frankfurt befindet. Und an einem kleinen Abzweig der Straße Alt-Sossenheim „versteckt“ sich auch das Wahrzeichen des Stadtteils: Der Faulbrunnen, auch „Schermulybrunnen“ genannt. Drei Wasserläufe speisen den Brunnen, der bereits im 19. Jahrhundert bekannt war. Die Sossenheimer glaubten, dass aus ihm Heilwasser sprudeln würde, „Bad Sossenheim“ schien in greifbarer Nähe, doch es stellte sich schnell heraus, dass es nur schwefelhaltiges Frischwasser war, was da von einer Quelle im Taunus nach Sossenheim kam. Und das riecht man auch!

Vom Zentrum führt der Weg weiter ins Sossenheimer Unterfeld bis an das Niddaufer. Dort verläuft der Sossenheimer Obstpfad, der mit dem Grüngürteltier gekennzeichnet ist. An 16 Stationen wird dort Wissenswertes über die Streuobstwiesen vermittelt. Auch dem eingangs erwähnten Chlodwig Poth wurde im Unterfeld eine Anlage gewidmet. Dort sind auf Stelen Zeichnungen des Satirikers zu sehen. Und plötzlich zwischen Wiesen und Gärten: Häuser. Mitten in dem Grünzug befindet sich die Siedlung Im Mittleren Sand, die einst in den 40er- und 50er-Jahren illegal errichtet wurde, aber 2010 von der Stadt anerkannt und unter Bestandsschutz gestellt wurde. Ein ganz schön außergewöhnliches „Wohnkaff“, dieses Sossenheim!

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