Kelterei Stier in Bischofsheim startet mit der Apfelannahme Sorgen um die Kelteräpfel

Bei der Kelterei Stier werden die Apfelpressen angeworfen. Für Chef Jörg Stier, hier an der historischen Presse, und seine Mitarbeiter beginnt damit die heiße Phase des Jahres. Foto: kristina bräutigam

Maintal – Auf dem Gelände der Kelterei Stier in Bischofsheim sind die Vorbereitungen abgeschlossen: Jetzt beginnt hier die Keltersaison, rund 300 Tonnen Äpfel aus dem Maintal, Spessart, Odenwald, Taunus und der Wetterau werden auf dem Hof des Familienbetriebs verarbeitet. „Das Telefon klingelt schon seit zwei Wochen ununterbrochen, weil die Leute ihre Äpfel anliefern möchten“, sagt Geschäftsführer Jörg Stier.

Dass es in diesem Jahr später losgeht, liegt am Spätsommer. Nach dem kühlen, verregneten Wetter der vergangenen Monate brauchen die Äpfel jeden Sonnentag, um auszureifen. Auch wenn es vielen Streuobstwiesenbesitzern jetzt in den Fingern juckt: Jörg Stier appelliert, die Äpfel noch hängen zu lassen. „Nur dann bekommen wir die Fruchtsäuren und gut ausgebildeten Aromastoffe ins Gerippte, die für mich den perfekten Schoppen ausmachen.“

Ob es ein gutes Jahr für die Apfelernte wird, bleibt abzuwarten. Die Resonanz seiner Lieferanten sei sehr unterschiedlich, erzählt Jörg Stier. Er erwartet eine mittelprächtige Ernte. „So schlecht wie die vergangenen zwei Jahre wird‘s wohl nicht werden.“ Zwischen 150 000 und 200 000 Liter Apfelwein und Apfelsaft werden in der Kelterei Stier pro Saison hergestellt. In seiner Kindheit sei bis in den Dezember hinein gekeltert worden, erzählt der 62-Jährige. Heute hofft er, dass die Presse bis Ende Oktober läuft. Schuld ist die Sortenarmut. Vor allem alte Sorten wie der Bohnapfel oder der Trierer Weinapfel, die erst Ende des Jahres reif sind, seien der Flurbereinigung in den 60er und 70er Jahren zum Opfer gefallen, so der Kelterei-Chef. „Dieser Kahlschlag wirkt sich bis heute aus. Die klassischen Kelteräpfel fehlen uns.“

Auch Martin Heil, Vorstandsvorsitzender des Verbands der hessischen Apfelwein- und Fruchtsaft-Keltereien, ist besorgt. „Der Zustand der Bäume auf den hessischen Streuobstwiesen ist und bleibt besorgniserregend.“ Durch die extremen Hitzeperioden der vergangenen Sommer seien viele Bäume kaputt; andere seien so geschwächt, dass sie anfällig für Krankheiten sind.

Hinzu kommt, dass die Streuobstbestände vielerorts überaltert sind oder nicht mehr gepflegt und bewirtschaftet werden. Das wirke sich auf den Ertrag aus und werde zunehmend zu einem Problem für die Keltereien. „Ihnen fehlen wertvolle Rohstoffe, aber auch der besondere Geschmack der vielen alten Obstarten auf den Streuobstwiesen“, sagt Martin Heil. Umso wichtiger seien Neuanpflanzungen und Baumpflege. Jörg Stier, der auch Vorsitzender des Vereins Apfelwein-Centrum-Hessen (ACH) ist, einem Verein zur Förderung regionaler Apfelweinkultur, geht das nicht weit genug. „So lange es keine Wertschätzung unserer heimischen Apfelweinkultur gibt, wird sich nichts ändern.“ Es sei nicht nachvollziehbar, dass ein Glas Apfelwein im Restaurant nicht mehr als zwei Euro kostet. „Da kann kein Wirt und kein Kelterer dran verdienen. Wir müssen endlich von den Italienern lernen. Die lassen sich das Glas Rotwein auch sechs, sieben Euro kosten“, sagt der Kelterei-Chef.

Mit dem Arbeitskreis Streuobst Maintal habe die Kelterei immerhin engagierte Bürger, die sich um den Erhalt der Streuobstwiesen kümmern, auch das Main-Äppel-Haus auf dem Lohrberg kämpfe unermüdlich für den heimischen Lebensraum Streuobstwiese. „Aber wie die Situation in zehn Jahren aussieht? Wir Keltereien können nur hoffen.“
 kbr