Die alten Ronneburger Hausnamen sind heute kaum noch bekannt „Geh’ mer ma beij’s Zinkhans!“

Die alte Hofreite an der Kirchstraße war einst Sitz des Schultheis Zieg. Wer dort vorbeikam, ging zu den „Scholdeses“. Foto:s ingbert zacharias

Ronneburg – Besonders ältere Semester können sich sicher noch an die Werbung im Fernsehen erinnern, in der ein französischer Reitersoldat in Köln mit Kreide die Zahl „4711“ auf eine Hauswand schreibt.

Die Szene war eigentlich nur ein erfundener Werbe-Gag. Das zumeist fortlaufende Nummerieren von Häusern diente allerdings schon vor der napoleonischen Zeit in größeren Städten wie etwa Köln zur Wohnraumerfassung und Orientierung. Auf dem flachen Land war die Anzahl der Gebäude in den kleinen Ortschaften in der Regel recht überschaubar, was eine Nummerierung entbehrlich machte. Obwohl es fast immer Straßennamen gab, begnügte man sich meist damit, die Wohngebäude nach den Eigentümern oder Bewohnern zu benennen, was – zumindest für die Einwohnerschaft – deutlich und überschaubar war.

„Dass sich die Hausnamen bis in die heutige Zeit erhalten haben, ist relativ selten“, sagt Küchenmeister Reiner Erdt, der im größten Ronneburger Ortsteil Hüttengesäß das Restaurant „Zur Krone“ führt. Das Gebäude sei schon in den 1780er-Jahren als wahrlich rustikaler, kleiner Gasthof unter dem Namen „Zinkhan“ bekannt gewesen, benannt nach seinem Gründer Konrad Zinkhan. Obwohl im Laufe der Jahrhunderte der Besitzer mehrfach wechselte, behielt der Landgasthof seinen ursprünglichen Namen bis heute bei, wovon ein kleines Schild im Bereich der Eingangstreppe zeugt.

„Den meisten jüngeren Einwohnern ist unser historischer Hausname nicht bekannt, wohl aber den alteingesessenen Senioren, die ihn gelegentlich noch verwenden“, schmunzelt Erdt, der sich als Hobby-Historiker in der Geschichte der Ronneburger Hausnamen gut auskennt. Nicht nur die Namen der Bewohner, sondern auch ihre Profession hätten in alten Zeiten für eine eindeutige Bezeichnung der Wohngebäude herhalten müssen.

Ein Beispiel hierfür ist eine gut erhaltene Hofreite in der Kirchstraße, die als „Scholdeses“ bekannt war und heute noch gegenüber der Kirche steht. Hier wohnte – wie der Hausname schon sagt – in früherer Zeit der „Schultheiß“ Philipp Zieg, der als Ortsvorsteher zu Lebzeiten für einigen Gesprächsstoff sorgte. So legte er sich als Vertreter der weltlichen Macht schon mal mit den kirchlichen Größen an, indem er als Gastwirt am Sonntag bereits vor oder während der Messe seine Getränke ausschenkte. Das erzürnte natürlich den Pfarrer und Zieg musste zur Strafe die Kosten für den nächsten Abendmahl-Wein übernehmen.

Eine andere Möglichkeit für einen Eigennamen eines Hauses war seine spezielle Lage, wie es etwa ein Doppelhaus nahe der Langstraße zeigt. Allein das Wort „Drüwwer“ machte jedem deutlich, dass der Eigentümer zunächst über das andere, fremde Grundstück „drüwwer“ laufen musste, um so „nüwwer“ zu seinem eigenen zu kommen. „Das Haus hat früher meinem Urgroßvater Georg Neidhardt gehört“, erklärt Miriam Franz aus Hüttengesäß. „Er wurde deshalb im Ort auch scherzhaft der ‘Drüwwer-Schorsch’ genannt“. Dazu erwähnt sie noch, dass ihr Uropa auch als „Georg Neidhardt der Zwölfte“ bekannt war. Diese Bezeichnung entsprang der Tatsache, dass es über die Jahrhunderte hinweg im Ort viele Männer mit dem Namen Georg Neid-hardt gab, die zur Unterscheidung einfach „durchnummeriert“ wurden; nach der Nummer 14 wurde dieser schöne Brauch allerdings aufgegeben.

Dass solche Hausnamen nicht nur in Ronneburg, sondern auch in anderen Dörfern üblich waren, zeigt ein zweites Schild am Eingang der „Krone“ in Hüttengesäß. „Ammegretjes“ ist dort zu lesen. Dabei handelt es sich nicht etwa um einen Schreibfehler, sondern um die volksmundige Bezeichnung des Hauses der Hebamme Margarethe Kreß in Hutten, in dem später die Familie von Reiner Erdts Mutter lebte. „Wenn’s denn soweit war, schickte man schnell jemanden zum Ammegretjes und derjenige wusste natürlich sofort, wo er hinzugehen hatte“, sagt der Küchenchef und ergänzt mit einem Schmunzeln: „Das hat auch immer gut geklappt, denn die sachkundige Frau hat immerhin 141 Erdenbürger mit auf die Welt gebracht – eine tolle Leistung!“
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