Familienforscher in Hüttengesäß informieren sich über Online-Recherche Akribische Detektivarbeit

Viele der Familienforscher hatten ihre eigenen Ermittlungen beim Stammtisch dabei und tauschten sich aus. Gleichzeitig informierten sie sich über die Recherchemöglichkeiten im Internet. Bild: INgbert Zacharias

Ronneburg – „Das ist reine Detektivarbeit“, meint Reiner Erdt vom Ronneburger Heimat- und Geschichtsverein zu dem, was sich viele der gut 80 Vereinsmitglieder auf die Fahne geschrieben haben: Familienforschung. In der vergangenen Woche trafen sich mehr als ein Dutzend Hobbyforscher im Gasthof „Zur Krone“ in Hüttengesäß zum dritten Stammtisch, um sich über die aktuellen Möglichkeiten der Ermittlungsarbeit per Internet zu informieren.

Jörg Otto, versiert in der Arbeit am Rechner, stellte dabei die wissenschaftliche Vorgehensweise beim Durchforsten alter Schriften und Dokumente vor. „Die wichtigsten Quellen sind die Kirchenbücher, die teilweise schon in der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg in fast allen Kirchengemeinden geführt wurden“, sagt Otto, weist aber gleich darauf hin, dass die Eintragungen immer in alter Sütterlin-Schrift geführt wurden. Dies zeigte sich deutlich in der Bilder-Show, die er und Erdt zusammengestellt hatten.

Die beiden wichtigsten Seiten im Netz sind „Archion“ für den evangelischen und „Matricula“ für den katholischen Suchbereich. In beiden Archiven, von denen nur das zweite kostenfrei genutzt werden kann, sind Unmengen von Kirchenbüchern aus dem deutschsprachigen Raum digitalisiert und katalogisiert, sodass es auch für den Hobbyforscher durchaus möglich ist, die Spuren seiner Ahnen zu verfolgen und aufzuzeichnen.

Die Nutzung der Originalwerke für die Nachsuche ist dagegen aufgrund der historischen Werte dieser Aufzeichnungen schwierig bis unmöglich; ein direkter Einblick in die verbrieften Bevölkerungsvernetzungen der früheren Jahrhunderte wird in der Regel nur hochkarätigen Fachleuten gewährt.

Neben den Kirchenbüchern gab es bis ins 20. Jahrhundert hinein auch Familienbücher oder ähnliche Aufzeichnungen, die im Grunde immer die gleichen Eintragungen zu einer – meist männlichen – Person aufweisen: Name, Vorname und Beruf, Abstammung, Geburts- oder Tauftag, Eheschließung und Name der Gattin sowie deren räumliche Herkunft, Kinder und Sterbetag. Die Eintragungen reichen von bloßem Fließtext in sehr alten Büchern bis hin zu Notizen in Büchern mit vorgegebenen Spalten; hier hatten die Franzosen während der Besatzungszeit für etwas „Ordnung“ gesorgt und die Notizen in „Reih und Glied“ gebracht. Fast immer hatte der örtliche Pfarrer die Schreibfeder in der Hand, wenn es darum ging, etwas in das Kirchenbuch einzutragen. Für Hobbyforscher sind solche Notierungen gelegentlich wegen der schwer zu lesenden „Sauklaue“ des Kirchenmannes nur mit Mühe zu entziffern. Eine weitere Schwierigkeit bilden die früheren Namen der Ortschaften, Gehöfte oder Weiler, die oft von den heutigen Bezeichnungen abweichen, sodass man auch hier geografische Detektivarbeit leisten muss. Interessant sind auch die kleinen Besonderheiten, die beim Durchforsten der alten Dokumente zum Vorschein kommen – wie etwa die Tatsache, dass es in manchen evangelischen Gemeinden getrennte Kirchenbücher für „Reformierte“ als auch für „Lutheraner“ gab. Wichtig für jeden Hobbyforscher ist es, beim Fund einer gesuchten Eintragung zu versuchen, das Ganze durch andere Quellen bestätigen zu lassen. „So ein kleiner Lese- oder Deutungsfehler kann schon leicht in die Irre führen“, meint Jörg Otto mit einem Augenzwinkern, „Deshalb: Sicher ist sicher!“

Im zweiten Teil des Stammtischabends berichtete Erdt über die weltweite Zusammenarbeit der Ahnen- und Familienforscher. Gerade das Ronneburger Hügelland war im 19. Jahrhundert Ausgangspunkt vieler Auswanderungen in Richtung Nordamerika, wo heute viele Nachkommen der damals in die Fremde gezogenen Personen wissen wollen, woher sie eigentlich stammen und wer ihre Vorfahren waren.

Mindestens zwei bis drei Anfragen würden monatlich bei ihm eingehen, sagt Erdt, dabei kämen die „Ermittlungsersuchen“ nicht nur aus den USA, sondern auch aus vielen anderen Ländern. Einer der Hilfesuchenden sei ein Zahnarzt aus Russland, dessen Vorfahren einst ins dortige Wolgagebiet ausgewandert waren und in der Stalin-Ära zwangsweise nach Osten umgesiedelt wurden. Erdt brachte den Mann, der tatsächlich ein recht gutes Deutsch sprechen konnte, auf die Spur seiner Vorfahren, die aus dem Ronneburger Hügelland stammten.

Erst vor Kurzem fragte ein Kanadier an und bat um Hilfe bei der Familienforschung. Er hatte nur einen Nachnamen sowie die Worte „Isenburg“ und „Prussia“, also Preußen. Auch hier ließ sich klären, wer hinter dem Namen steckte und dass es sich bei dem Ortsnamen nicht etwa um Neu-Isenburg, sondern um das Gebiet des Fürsten von Ysenburg auf damals preußischem Territorium handelte.

Die bei diesem Stammtisch anwesenden Hobbyforscher, die viele eigene Suchergebnisse vorweisen konnten und sich rege austauschten, sind nicht nur in Ronneburg, sondern auch in den umliegenden Gemeinden zuhause, was eines deutlich zeigt: Familienforschung beschränkt sich nicht auf einen Ort, sondern führt in die Nachbarschaft oder sogar in die Ferne hin zu Örtlichkeiten, auf die man niemals zuvor gekommen wäre. Wer Lust auf tiefere Einblicke in die Familienforschung hat oder vielleicht beim Lesen der alten Schriften verzweifelt, sollte sich den nächsten Stammtisch am 10. Mai, ab 19 Uhr, in der Gaststätte „Zur Krone“ in Hüttengesäß vormerken. Thema sind dann das Sütterlin und ältere Schriftarten sowie die Bedeutung oft benutzter Kürzel.

Infos im Internet

ronneburghistory.de

Von Ingbert Zacharias

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