Johanna Herget hinterfragt Alltagsmaschinerie Von der Großstadt überfordert

Johanna Herget mit ihrem Erstlingswerk.

Großkrotzenburg – Wer täglich mit Bus und Bahn im Stadtverkehr unterwegs ist, der kennt die vielen nervigen Situationen: Gedränge, Gerangel, Geschrei. In den Straßen oder beim Einkaufen ist es nicht anders: Fremde Gesichter, verschiedene Sprachen, merkwürdige Gerüche. In der Regel blenden Menschen das aus, sind auf sich selbst fokussiert.

Was aber passiert, wenn es unerträglich wird? Wenn eine Frau von der Großstadt überfordert wird, wenn sie all die frauenfeindlichen Sprüchen nicht mehr aushalten will?

Für ihr Buch hat die Autorin Johanna Herget die Menschen in den öffentlichen Räumen der Stadt sehr genau beobachtet. Die alltäglichen Situationen, die zum Teil absurden, zum Teil witzigen, aber auch abstoßenden, sogar zu Gewalt neigenden Verhaltensweisen haben sie zu ihrem ersten gesellschaftskritischen Roman inspiriert. „Im Dunkeln sehen lernen“ lautet der Titel ihres Debüts, in dem sie die Geschichte einer jungen Frau erzählt, die sich in „gewaltvolle Gedanken“ flüchtet, um ihrer „inneren Unruhe und den Aggressionen Luft zu machen“.

Nicht ohne Grund stellt die Autorin an den Anfang ihres Buches eine Triggerwarnung und beginnt mit dem Satz: „Dieses Buch thematisiert sexuelle und körperliche Gewalt, Depressionen, Suizid/Suizidgedanken und den Konsum der Drogen Alkohol, Kokain und Marihuana.“

Mit Jill, der Hauptfigur des Romans, begibt sich der Leser in das großstädtische Treiben und kann ihre Gereiztheit, ihre Überforderung nachvollziehen. Je mehr sie sich in ihre Welt zurückzieht, umso mehr „scheint ihre reale Welt langsam, aber sicher zu zerbrechen. Je mehr sie vor den anderen flüchten will, desto stärker wächst ihre Sehnsucht nach Zuneigung und Normalität.“ Jill ist eine depressive Figur mit wenigen Sozialkontakten, die sich immer mehr eingräbt, bis sie letztendlich ins Bodenlose zu fallen scheint. Feinfühlig verknüpft Johanna Herget in alltäglichen Situationen das äußere „Chaos“ mit der „inneren Dunkelheit“ der Romanfigur. Trotz des nicht einfachen Themas hat Herget einen unterhaltsamen und spritzigen Roman geschrieben, der die Alltagsmaschinerie durchaus hinterfragt.

Für ihre erste Geschichte hat Johanna Herget an eigene Erfahrungen angeknüpft. Sehr viele Ideen zu diesem Buch habe sie bereits während ihrer Studienzeit entwickelt. Ihre täglichen Fahrten von Großkrotzenburg nach Frankfurt an die Universität boten jede Menge Romanstoff. Viele dieser authentischen Gesprächsfetzen sind als Zitate eingeschoben.

Dennoch hat die depressive Jill nicht allzu viel mit der Autorin gemein. Die 29-Jährige hat ihr Studium mit dem Bachelor of Arts in Germanistik im Januar 2018 beendet und steht als Projektmanagerin von Outplacement-Projekten bei der Manpower Group Deutschland/Right Management GmbH voll im Berufsleben. Das Schreiben machte ihr bereits als Teenager großen Spaß. Einige Kurzgeschichten gingen ihr vergleichsweise leicht von der Hand, an ihrem Debütroman arbeitete Herget dann doch länger als geplant. „Mit dem Thema beschäftige ich mich bereits seit meiner Studienzeit“, sagte die Autorin. „Und jetzt wollte ich das Buch auch zu Ende bringen.“ Bis zum nächsten Roman wird es noch etwas dauern. „Ich habe eine grobe Idee, aber ich arbeite Vollzeit. Da bleiben nur die Wochenenden zum Schreiben.“

Der Roman „Im Dunkeln sehen lernen“ von Johanna Herget ist als Taschenbuch und E-Book bei Amazon erhältlich. (198 Seiten, ISBN 9798423011956)  
 upo