DHL Freight nutzt den Tower für seine Standortverwaltung Konferenzen mit Aussicht

Nur sechs Personen dürfen dort sitzen: Viel Platz ist im neuen Konferenzraum nicht, dennoch wird er rege genutzt. Bild: detlef sundermenn

Erlensee/Bruchköbel – Auf dem ehemaligen Fliegerhorst am Rand des Stadtteils Langendiebach bilden auffällig große Hallenbauten mit düster schwarzgrau bis quietschgelben Fassaden den neuen, künstlichen Horizont gen Westen. Aus diesen kartonartigen Immobilien sticht jedoch ein Bauwerk besonders heraus, nicht zuletzt ob seiner frischen Bemalung mit rot-weißen Karrees – der Tower. Gleichwohl es von dort auf der rund 800 Meter langen Asphaltpiste des Airfields nichts mehr zu sehen gibt. Der einstige Ausguck, von dem die US-Army über Jahrzehnte den Flugbetrieb Runway beobachtete, wird nunmehr von der DHL Freight genutzt, wie auch der historische Gebäudekomplex darunter.

Nach dem Gang durch lange und breite, kurze und enge Korridore und den Weg über steile Treppen steht man vor einer übergroßen vertikalen Röhre, in der sich eine Spiraltreppe mit eisenblanken Gitterstufen empor dreht. Ein leises „aaaa“ kann man sich, oben angekommen, kaum verkneifen. Der Konferenztisch, der sich dem hexagonalen Grundriss des Turms angleicht, ist jedoch nicht das Objekt des Staunens. Vor den Augen breitet sich eine Landschaft aus Wald, Kuhweide und weiter Wiese aus, durch der sich wie ein schmaler Lidstrich die graue Start- und Landebahn zieht.

Bis 2007 war es der Ort, an dem nahezu täglich höchster Flugbetrieb herrschte, vor allem mit Kampfhubschraubern. Ab und an zog auch mal ein Transportflugzeug dicht über das Langendiebacher Siedlungsgebiet, um auf dem US-Fliegerhorst aufzusetzen, der zu Zeiten des Kalten Krieges „Nato Site Five“ hieß und mit einer der militärisch heißesten Standorte in Europa gewesen sein soll. In gewisser Weise heiß war das Areal auch bei manchen zivilen Momenten, wenn das deutsch-amerikanische Freundschaftsfest dort stieg oder an flugfreien Sonntagen Dragster mit brüllenden Motoren auf der Piste mit qualmenden Reifen Beschleunigungsorgien fuhren. Nach dem Abzug der US-Army aus Erlensee, wo Anfang der 90er Jahre bis zu 6400 GIs stationiert waren, begann für das Areal eine neue Epoche.

Die Geschichte des Fliegerhorsts begann 1933. Die Luftwaffe des Dritten Reichs rüstete das Land für die von Hitler angedeuteten großen Kriege auf. Mutmaßlich ob der besseren Tarnung aus der Luft erhielt der Fliegerhorst einen dreieckigen Grundriss, um aus großer Höhe ein Dorf vorzutäuschen. Zur Beobachtung der Starts und Landungen wurde damals das Gebäude, auf dessen gerundeter Stirnseite heute der Tower thront, errichtet. Die Kanzel setzte jedoch erst die US-Army auf, die nach Kriegsende das Gelände umgehend beschlagnahmte, um es für sich zu nutzen. Seither begrüßt das Gebäude seine Besucher nicht mit einem weichen Fußabtreter, sondern mit der im Steinboden verlegten Abkürzung ATC, für Airtraffic Control.

Mit der Konversion des Fliegerhorstes zur zivilen Nutzung erhielt neben einigen anderen Gebäuden aus den 30er Jahren auch das Haus für die einstige Flugaufsicht ob seiner zeittypischen Moderne einen Schutzstatus. „Bei der Instandsetzung der Kanzel mussten strenge Auflagen des Denkmalschutzes beachtet werden. Das galt übrigens auch für die Sanierung des Gebäudes. So mussten die neuen Türblätter nicht nur in der Gestaltung den Originalen gleichen, sondern ebenso aus Massivholz bestehen, also ohne Furnier“, sagt Götz Hanningsmann, DHL-Niederlassungsleiter.

Die Immobilie wie auch die Kanzel waren sanierungsbedürftig. Letztere wurde zur Instandsetzung abgebaut und Ende 2021 wieder installiert. Konstruiert wurde die Kanzel im Auftrag des Immobilienunternehmers und Eigners Ferdinand Fäth vom Hanauer Stahlbaubetrieb Ebert. Auflagen zu Innenausstattung gab es nicht. Den Ausguck hatte die US-Army besenrein zurückgelassen, alle Technik war offenbar ausgebaut worden. Was dort einziehen soll, war 2017 manchem Erlenseer schnell klar, ein Dokumentationszentrum über den Fliegerhorst, samt Café in dem rund 17 Quadratmeter großen Tower. Weder die Besonderheit des Museums, noch die Möglichkeit, Kaffee und Kuchen mit Aussicht zu genießen, überzeugte die Politik. Bürgermeister Stefan Erb bezweifelte die Deckung der errechneten 200 000 Euro Betriebskosten pro Jahr. Der damalige Landesarchäologe Professor Egon Schallmayer schätzte allein die Investitionskosten auf 1,3 Millionen Euro. Geld, das weder die klamme Stadt Erlensee noch der Zweckverband Fliegerhorst aufbringen konnte, der das Areal vermarktet.

„Der Tower ist schon einzigartig auf DHL-Standorten. Das hören wir auch von Kunden“, sagt Hanningsmann. Das Logistikunternehmen ist Mieter, einer der vielen auf dem Fliegerhorst. Eine Insignie, die auf die Geschichte des 240 Hektar großen Geländes hinweist, ist die Kanzel jedoch nicht. „Es ist einer unserer Konferenzräume, der kleinste. Er bietet Platz für maximal sechs Personen und wird rege genutzt. Mehr Leute dürfen sich hier aus Gründen des Brandschutzes und der nicht ausreichenden Fluchtwege nicht aufhalten“, so der Standortchef.

Hell ist der Raum, sehr hell sogar, wenn die Sonne prall scheint. Jalousien hat die Denkmalbehörde nicht zugelassen. „Wie warm es hier im Hochsommer werden kann, wissen wir noch nicht. Wir können den Tower erst seit vergangenen Oktober nutzen. Natürlich ist der Raum mit Klimatechnik ausgestattet“, sagt Hanningsmann.

Allerdings hat der Konstrukteur der Kanzel das Problem im Sinn gehabt. Das kalottenförmige Dach, das einst so mit Antennen bespickt war wie ein Igelrücken mit Stacheln, ragt deutlich über den Kanzelgrundriss hinaus, sodass es zumindest zur heißesten Tageszeit möglichst lange Schatten wirft.  
 sun