HGV bietet wieder Führungen durchs Heimatmuseum an Altes Handwerk vermittelt

Thomas Zeiger vom Heimat- und Geschichtsverein demonstrierte beim Besuch der Eichendorff-Schüler Funktionsweise und Gebrauch von Werkzeugen des Portefeuilers. FOTO: M

Obertshausen – Anders als in vielen Nachbarländern gilt der Begriff Heimat hierzulande zuweilen als altbacken und nicht mehr zeitgemäß. Die Grundschulen in der Stadt bemühen sich jedoch redlich, ihren Schützlingen einen Bezug zu Wohnort und Region zu schaffen. Zum Beispiel mit einem Besuch im Karl-Mayer-Haus, dem Ort, in dem lokale Vergangenheit weiterlebt.

Mehr noch, Thomas Zeiger vom Heimat- und Geschichtsverein (HGV) hat mit seinem Team sogar Online-Führungen gestaltet, damit der Geschichtsunterricht auch während der Pandemie lebendig bleibt. Nun sind wieder Ausflüge und Präsenz-Stunden möglich, eine dritte und eine vierte Klasse der Joseph-von-Eichendorff-Schule besuchten kurz vor Ferienbeginn das Heimatmuseum an der Karl-Mayer-Straße.

Es ist das Geburtshaus von Mayer, dem Gründer der gleichnamigen Wirkmaschinenfabrik. Im Hof befindet sich noch die erste Werkstatt mit Schmiede, in der Werkzeuge hergestellt wurden, berichtet Zeiger der 3b von Annabelle Specht. Tüftler Mayer stellte die Gebäude der Stadt zur Verfügung, nachdem das als Museum vorgesehene Haus, die alte Schule hinter der ebenfalls abgerissenen Gaststätte Gambrinus an der Waldstraße, bei Bauarbeiten eingestürzt war.

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Das Konzept des federführenden Vereins sah ein Werkstattmuseum vor, in dem einerseits handwerkliche Entwicklung thematisiert, andererseits heimische Branchen, Künstlerinnen und Künstler eine Heimat finden. „Während Corona haben auch Haus und Verein gelitten“, informiert der Berufsschullehrer a. D.. Jetzt seien Dauer- und Wechselausstellungen wieder besuchbar.

Marga Gerlach, Klaus Scheitler und Zeiger führten bislang durch die Räume, letzterer erzählt nun seinen Gästen vom Plumpsklo bis zu den Erfindungen des Herrn Mayer, zeigt die Räume und berichtet von altem Handwerk, etwa dem der Portefeuilers. Zeiger demonstrierte deren Arbeit mit dem Schärfmesser, mit dem das Leder dünner gemacht und gespalten wurde.

„Dann übernahm der Schärfer Ott mit seinen Maschinen diese Arbeit“, lernten die Mädchen und Jungen. Eine saubere Kante haben sie mit einem Falzbeil aus alten Knochen gezogen, damit das Tierfell umgeschlagen und festgedrückt werden konnte. Zuvor wurde es mit Leim, dem „Babb“, angeschmiert, nach oben gedrückt. Der Kleber wurde anfangs auch aus Knochen hergestellt, später fertigte die Hausener Firma Mühlenleim verschiedene Sorten eines milchigen Produkts, das fester klebte oder schneller trocknete.

Die meisten Betriebe verarbeiteten Leder von Rind oder Schaf, aber auch von Straußen, Krokodilen und sogar Seehunden. Zeiger gestaltete sein Gesellenstück vor 53 Jahren aus diesem Fell. Heute sei die Verarbeitung von Teilen vieler dieser Tiere durch Artenschutzgesetze verboten.

Das gilt auch für die sieben Meter lange Python, deren Haut die Kinder aufrollten. „Die können ein ganzes Schwein auf einmal vertilgen“, lehrt der Pädagoge und blickt noch einem zurück in die Historie der Branche. Als die Hugenotten nach Offenbach kamen, waren Buchdrucker darunter, die Werke mit Leder einbanden. Daraus entstand die Offenbacher Lederwaren-Industrie.

Die meisten Produkte stammten jedoch von kleinen Firmen im Umland. In beiden Stadtteilen haben zahllose Einwohner in Wohnzimmern, Kellern und Nebengebäude Heimarbeit geleistet, was Hausen in den 50er Jahren zu einer der reichsten Gemeinden der Bundesrepublik aufstiegen ließ. Auch Thomas Zeiger hat als Kind geholfen. „Feintäschner konnten tapezieren, Fußboden legen, eigentlich alles“, sagt er. „Babbscher“ war dennoch eher ein Schimpfwort. „Eine Zuarbeiterin hat etwa acht D-Mark pro Stunde verdient“, beantwortete er eine Frage der Drittklässler. Das Team vom HGV plant, künftig auch Stadtführungen für Kinder anzubieten.

Von Michael Prochnow