Amerikanische Winterfiguren im Garten von Familie Mann Bunte Lichter gegen Verdruss

Vollgepackt: Allerlei bekannte Zeichentrick-Charaktere schmücken den Garten von Familie Mann. Das lockt auch Zuschauer aus benachbarten Kommunen an. Foto: Prochnow

Obertshausen – Minnie lümmelt sich auf dem Klavier und schmachtet Micky an, der mit ausgestreckten Armen in die Tasten haut. Nebenan herrscht reger Flugverkehr, Snoopy hat den Propeller angeworfen, Woodstock auf dem Rücksitz eine lange, rote Zipfelmütze aufgesetzt. Über ihrem Flieger schwebt gerade der Nikolaus mit einem Gespann aus drei Rentieren ein.

Manche finden die luftigen Aufbauten im Garten der Familie Mann übertrieben. Doch die meisten verharren staunend und lachend vor der Szene an der Pommernstraße.

„Es gibt jetzt so viele Leute, die aggressiv sind, sogar bösartig“, bemerkt Manuela Mann beim Einkaufen oder Spazierengehen. „Corona hat die Gesellschaft verändert.“ Dem möchte sie etwas Fröhliches, Friedliches entgegenhalten. Seit sechs Jahren gestaltet sie mit ihrer Familie den Vorgarten mit aufgeblasenen Figuren aus der Welt Disneys und der Peanuts. „Jedes Jahr kommen ein oder zwei Teile dazu“, erläutert die Bewohnerin und provoziert schmunzelnd ihren Ehemann Charles: „Irgendwann muss die Garage weg!“

Angefangen haben sie mit einem übergroßen Micky, direkt bestellt in Amerika, denn „die gibt’s hier gar nicht“. Die Töchter, Olivia (15) und Gloria (12) entscheiden mit, wenn die Mama auf den Seiten verschiedener Anbieter im Internet stöbert.

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Das sind vorwiegend Baumärkte und spezielle Christmas-Shops, weiß der Fan von Micky & Co. „Bei uns hier gibt’s Disney-Artikel nur als Spielzeug“. Für Peanuts-Motive müssen die Ladys auf den Homepages ganz anderer Läden suchen.

Spätestens Ende Oktober bestellen sie, damit die bunte Ware pünktlich zum Advent geliefert ist. Ganz billig ist das Steckenpferd der Familie Mann freilich nicht. Vor allem Fracht und Zoll langen zu: „Bei einem Teil, das 100 oder 120 Dollar kostet, kommen 70 oder 80 Euro dazu“. Das Teuerste war ihr Lieblingsmotiv, das Flugzeug mit Snoopy für 270 Dollar plus 150 Euro Nebenkosten. Und die Kosten für Gebläse und Beleuchtung? „Wir gucken nicht auf unsere Stromrechnung“, lenkt die Unternehmerin ab.

Die Schwärmerei begann, als die gelernte Bankerin und Kosmetikerin, damals noch ohne Kinder, vorm Fest durch die Heimat ihres Mannes an der US-Ostküste reiste und dabei Disneyland besuchte. „Mein Traum ist es, im Oktober oder November rüber zu fliegen und Dekoration in den Shops vor Ort auszusuchen“, verrät sie.

Dieses Jahr haben sie Zuckerstangen geordert und in die Erde gesteckt. Außerdem musste ein neuer Nikolaus mit Rentieren her, der alte war kaputt und wurde gleich wieder ersetzt. Täglich halten viele Zaungäste vor der Szenerie inne. „Die Kinderaugen allein sind es wert“, stellt Manuela Mann klar. „Es ist rührend, wenn sie jedes Mal etwas Neues entdecken.“ Und in den schwierigen Zeiten können die Menschen ein bisschen Corona vergessen.

„Viele Leute sprechen uns an, sind richtig begeistert, finden das toll“, berichtet die kreative Dame aus der Hausnummer 2. „Manche kommen immer wieder, die Nachbarin hat Bilder in die Netzwerken des Internets gestellt und ein Junge wollte Micky Maus eintauschen“, erzählt sie. Andere vermissen augenzwinkernd Glühwein oder witzeln, „bald fahren die Japaner mit Bussen und Fotoapparaten vor“. Tatsächlich pilgern Besucher bis aus Lämmerspiel und Heusenstamm in die Pommernstraße.

Die Manns sind weit und breit die einzigen, bei denen die berühmten Figuren vorm Haus leuchten. Doch auch viele andere Obertshausener Haushalte schmücken dieser Tage ihren Garten und Haus mit weihnachtlichen Figuren. Die Hobby-Dekorateurin läuft spätabends durch die Straßen, schaut, wie Nachbarn ihre Häuser geschmückt haben. „Wir finden es richtig schade, wenn in einer Straße alles dunkel ist. Allein eine Lichterkette bringt eine friedliche Atmosphäre, jeder freut sich, weil’s einfach schön ist und zur Weihnachtszeit dazu gehört.“

VON MICHAEL PROCHNOW