Mit 80 Jahren noch so aktiv – Karin K. geht mehrmals die Woche im Schichtdienst arbeiten „Den ganzen Tag zu Hause vorm Fernseher zu sitzen, das kann ich mir nicht vorstellen“

Karin K. arbeitet drei Mal wöchentlich im Schichtdienst bei der Firma Mühle Verpackungs- und Dienstleistungs-GmbH. Sie schätzt dabei das gute Arbeitsklima und freut sich immer unter freundlichen Menschen zu sein. Foto: m

Obertshausen (m) – Rente mit 67 oder 65? Mit 63 oder schon mit 60 den Ruhestand genießen? Manche Senioren sind bereit, auf ein paar Euro zu verzichten, um dafür das Berufsleben früher hinter sich lassen zu können. Karin K. hält es genau umgekehrt: Sie suchte mit 79 Jahren einen Nebenjob – auch um die Rente aufzubessern. Vor allem aber, um unter Leute zu kommen.

Neben ihr liegt ein Stapel zusammengefalteter Schachteln. Mit einer flotten Fingerkombination stellt sie das Kästchen auf, so, dass einer der flachen Plastikbeutel mit den Wärmepflastern reinpasst. Noch das Faltblatt mit dem Informationen zur Anwendung reingeschoben und aufs schmale Fliesband damit. Die Frauen in den himmelblauen, kurzärmeligen Schürzen konzentrieren sich auf ihre Handgriffe, tauschen dennoch immer wieder ein paar heitere Worte aus. Karin K. ist eine von ihnen. Sie vollführt die Arbeitsschritte offenbar mühelos und verbreitet obendrein ein freundliches Lächeln in der Runde. 2014 reagierte sie auf eine Annonce der Mühle Verpackungs- und Dienstleistungs-GmbH und sprach bei Cornelia Weiland vor. „Sie können morgen kommen“, lautete die Reaktion der Leiterin von Personalabteilung und Qualitätsmanagement nach einem kurzen Dialog. Seitdem arbeitet Karin an drei Tagen pro Woche je eine komplette Schicht. „Klar, das Geld kann man auch ganz gut gebrauchen“, gibt sie zu. Doch fast wichtiger ist ihr das gute Klima in „ihrer“ Firma. „Woanders ist das furchtbar“, deutet sie ihre Erfahrungen an. Etwa zehn Prozent der Belegschaft bei Mühle haben das Renteneintrittsalter bereits überschritten, informiert Conny Weiland.

Die meisten von ihnen haben sich für einen Mini-Job neu beworben, manche machen einfach weiter bei eingeschränkter Arbeitszeit. „Viele Tätigkeiten bei uns können von älteren Menschen ausgeführt werden“, erläutert die Personalchefin. Es handle sich um leichte Verpackungsarbeit, die Älteren packen mehrere Teile in eine Tüte oder kleben an bestimmten Stellen Etiketten auf. „Wir haben mit diesen Mitarbeitern nur positive Erfahrungen gemacht“, schwärmt die Abteilungsleiterin. „Ihre Bereitschaft, die Einstellung und die Arbeitsmoral – da merkt man noch die alte Schule’“. Die Senioren seien ihrerseits froh, dass sie noch etwas Sinnvolles dürfen. Einige seien bereits mehr als zehn Jahre auf Mini-Job-Basis bei Mühle tätig. Kürzlich feierte Karin ihren 80. Geburtstag. Viele ihrer Nachbarinnen an der „Pharma-Linie“ kamen zum Gratulieren. „Ich habe sehr nette Kolleginnen“, strahlt die Seniorin, „wir sind eine gute Gemeinschaft“.

Karin K. wurde in Liebenau bei Reichenberg im Sudetenland geboren. Nach dem Krieg kam die Familie nach Aachen, wo der Vater beim Zoll arbeitete. Die Behörde versetzte ihn 1954 nach Offenbach. Die Tochter erlernte in einem Frankfurter Fachgeschäft für Oberbekleidung den Beruf der Verkäuferin.

Dabei traf sie einen charmanten Hanauer, den sie 1972 heiratete. Sie zogen nach Bieber und führten bis vor einigen Jahren einen Obst- und Gemüseladen in Darmstadt. Jetzt lebt Frau K. am Landgrafenring mit ihrer 90-jährigen Schwester unter einem Dach, erzählt sie. Doch – „den ganzen Tag zu Hause vorm Fernseher zu sitzen, das kann ich mir nicht vorstellen“.

Zur Firma: Die Mühle Verpackungs- und Dienstleistungs-GmbH zählt rund 150 Mitarbeiter, zeitweise mehr. Die Firma bezieht Verpackungen, um zu verpacken, kommissioniert, konfektioniert, etikettiert und versendet, vor allem Pharma- und Kosmetikartikel, Frisörbedarf, Produkte von Wella und Tamaris sowie Autoteile von VDO. Mühle übernimmt Versandaufgaben für den Otto-Versand, beliefert Zentrallager, stellt Werbematerial und Prüfungsaufgaben zusammen, kontrolliert, säubert und ergänzt Sendungen.

Das Unternehmen startete 1993 in Offenbach, wechselte 2003 in die Hausener Feldstraße und nach Heusenstamm, im Januar zog die Geschäftsleitung beide Standorte in den Herbäckern zusammen. Mittlerweile wurden drei weitere Lagerhallen angemietet, im Februar wird ein weiteres Gebäude am neuen Stammsitz eröffnet.