Kinder- und Jugendförderung Obertshausen veranstaltet Informationsvortrag zum Thema „Kinder und digitale Medien“ „Die größten Ängste der Kinder: Kein Internet und Akku ist leer“

Über den Einfluss digitaler Medien referierte Cordula Kahl vom Institut für Medienpädagogik und Kommunikation und erklärte dabei den anwesenden Eltern die Risiken einer zu starken Mediennutzung. Foto: m

Obertshausen (m) – Cordula Kahl vom Institut für Medienpädagogik und Kommunikation (MUK) in Darmstadt informierte Eltern auf Einladung der Kinder- und Jugendförderung über die Rolle von Smartphones beim Nachwuchs. Fast 30 Mütter und Väter lauschten dem Vortrag der Pädagogin und Theologin im ehemaligen Sitzungssaal des Rathauses Beethovenstraße.

In den 90er Jahren amüsierten sich junge Leute auf einem Konzert, belegt der Gast mit Fotos. Heute schicken sie Fotos vom Auftritt über soziale Medien an ihre Kontakte. „Was nicht auf Instagram ist, findet nicht statt“, definierte die Referentin. Erst wenn eine Aktion übers Mobiltelefon geteilt sei, werde sie zur erlebten Realität.

„Wir leben im Zeitalter des Augenblicks“, meint der Expertin, „danach ist sofort alles wieder Vergangenheit“. Eine Aufnahme von einer Haltestelle zeigt, wie alle Wartenden aufs Handy starren – nur einer nicht. „Was ist los mit ihm?“, frage sich jeder Betrachter. Die Beobachtungen erwecken den Eindruck, dass sich mit dem Smartphone alle Probleme lösen lassen. Viele Kinder leben danach, hieß es.

Langeweile gebe es nicht mehr, dank der Technik sei man ständig abgelenkt, könne es nicht zulassen, nichts zu tun. Die Aufmerksamkeit reiche oft nur bis die nächste Nachricht aufs Handy kommt.

Die Konzentration auf eine Arbeit falle dann ab und müsse erst wieder aufgebaut werden. Dieser „Sägeblatt-Effekt“ reduziere die Aufmerksamkeit bereits in den Grundschulen spürbar.

Der permanente Blick aufs Display führte in China zur Einrichtung eigener Fußwege für Smartphone-Nutzer und zur Installation von Bodenampeln in Europa. Nach aktuellen Umfragen sei der drahtlose Internet-Zugang jungen Leuten wichtiger als Sex. Hinzu komme, dass die Pubertät heute schon in der dritten, vierten Klasse beginne, die Jugendphase dauere bis 30, Kinder leben länger zu Hause.

Lippenstifte seien für Neunjährige wichtiger als Puppen, die Stars der Video-Kanäle im Netz werden immer jünger - und von der Industrie gefördert. So steigerte die Kosmetikbranche ihren Umsatz seit 2011 um 30 Prozent, „jeder will ständig gut aussehen“, erläuterte die Pädagogin. 1,2 Millionen der Drei- bis Achtjährigen seien online.

Im Kindergarten kennen alle die Logos von Whatsapp und Youtube, „wir sprechen von einer ViRealität“, der Vermischung von virtuellen Welten und der Wirklichkeit. Dabei lerne der Nachwuchs am besten durch Erfahrungen, durch Schmecken, Riechen, Fühlen und dem Erleben mit dem ganzen Körper. Auch schreiben lernen gehöre dazu. Viele wichtige Lebenserfahrungen werden jedoch aus angeblichen Sicherheitsbedenken „pädagogisch inszeniert und abgesichert“. So werde „die Welt für Kinder immer schlimmer, immer einschränkender“. Eine Folge ist, dass knapp die Hälfte der Mädchen und Jungen zwischen vier und zwölf Jahren können nicht mehr auf einen Baum klettern kann. Versicherungen bieten Policen gegen Cyber-Mobbing, vernetzen die Eltern per Chip im Schulranzen mit dem Nachwuchs. So können die Sprösslinge weder Selbstständigkeit noch Verantwortung üben. Die Sprecherin warnte auch vor einem pädagogischen Rückfall, wenn die Geschlechter wieder über bestimmte Farben, Tätigkeiten und alte Rollenbilder getrennt werden.

Erzieherinnen unter den Zuhörern plädierten dafür, mit den Kindern über Gefahren aus dem Netz zu reden, mit den Jüngsten beispielsweise nur gemeinsam im Internet zu surfen.