Anklage wird vor dem Schöffengericht in Offenbach eingestellt Keine Verurteilung trotz Raub

Die Brücke verbindet das neue mit dem alten Gebäude des Amtsgerichts. Foto: man

Obertshausen (man) – Die Verhandlung gegen einen zur Tatzeit in Obertshausen wohnenden Mann wegen Raub endete am 15. April vor dem Schöffengericht in Offenbach mit der Einstellung des Verfahrens. Dazu führte wohl auch ein Problem, mit dem die Justiz immer heftiger zu kämpfen hat: Wenn es erst nach Jahren zum Prozess kommt, können sich Zeugen nicht mehr erinnern. Was dereinst geschah, lässt sich nicht mehr herausfinden.

Als die angeblichen Taten passierten, die Staatsanwalt Alexander Betz dem Angeklagten vorwirft, waren Darmstadt und Ingolstadt gerade in die Bundesliga aufgestiegen. Am 29. Juli 2015 soll der Angeklagte seiner damaligen Freundin in Obertshausen einmal unter Drohungen die Wohnungsschlüssel weggenommen, sich ein paar Tage später auf sie geworfen und ihr Handy geklaut haben.

Der Angeklagte erklärt, er habe damals mit der Frau für ein paar Monate zusammen gelebt. Zeitweise haben man sich als verlobt verstanden. Alle paar Tage habe die Verlobte aber „wegen jedem Scheiß“ die Polizei gerufen.

Die Beamten hätten mit der Zeit ihren Unmut geäußert, „denen wurde das auch langweilig“.

Den Polizisten gegenüber habe die Verlobte etwa einmal geäußert, er halte sich illegal in der Wohnung auf, sie zeige ihn wegen Hausfriedensbruch an. Dem Vorwurf habe er durch Vorlage des Untermietvertrags die Grundlage entzogen, „den hatten wir beide unterschrieben“. Als Grund für das Verhalten der damaligen Freundin diagnostiziert der 40-Jährige: „Die hat einen Schuss.“ Nach einem halben Jahr sei er schließlich ausgezogen. Danach habe sie ihn jedoch mit diversen Nachrichten gestalkt, zuletzt im Januar, „ich reagiere nicht“. Richter Manfred Beck fragt, was an den Anschuldigungen dran sein, „absolut nichts“.

Pflichtverteidiger Volkmar Biehl fragt den eigenen Mandanten, ob er etwas von der Psychotherapie der Frau gewusst habe, „nicht mehr, als dass sie einmal pro Woche zur Psychologin ging“. Ob es sich um ein sadomasochistisches Verhältnis mit der ehemaligen Freundin gehandelt habe, will Biehl noch wissen, „ja, kann man so sagen“. Nach Aktenlage hatte es die Polizei während der vielen Hausbesuche bei dem Paar nicht immer leicht, die Aussagen zu strukturieren.

Während Richter Beck zur Türe geht, um die mutmaßlich Geschädigte als Zeugin rein zu bitten, formuliert er eine Ahnung, die sich bestätigen wird, „die wird nicht da sein“.

Eine andere Zeugin erzählt, sie habe im August 2015 im Waldpark Obertshausen die Geschädigte um Hilfe schreien hören, die dann auf sie zugelaufen sei. Ein schwarzhaariger Mann ohne Bart habe sie umgestoßen und ihr Handy an sich genommen. Den Angeklagten könne sie nicht identifizieren. Der wirft ein, „erst seit vier Wochen lasse ich mir wieder die Haar wachsen“. Über Jahre habe er sich nur mit Glatze gezeigt.

Richter Beck zitiert eine Polizeiaussage der Geschädigten im Vorfeld des Prozesses. Die Frau hatte erklärt, ihr Ex-Freund habe ihr das Handy damals wieder gegeben. Damit, führt Beck aus, entfalle möglicherweise eine Verurteilung wegen Raub in dem Fall.

Ein männlicher Zeuge erinnert sich, er habe die Frau auf dem Egerländer Platz um Hilfe rufen hören, weil ihr jemand den Schlüssel abgenommen hätte.

Weder habe er den Tathergang beobachtet, noch erkenne er den Angeklagten wieder.

Beck schlägt schließlich vor, das Verfahren einzustellen. Ein entsprechender Paragraf der Strafprozessordnung sagt aus, die Bedingung dafür sei, dass der Angeklagte in einer anderen Angelegenheit noch eine härtere Strafe zu erwarten hat oder ein Urteil schon fiel, dass „zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint“. Das gilt sogar, wenn das Urteil zurück lag. In 2014 bekam der Angeklagte wegen Raub zwei Jahre Haft auf Bewährung.

Weil sich auch Staatsanwalt Betz von einer weiteren Vorladung der mutmaßlich Geschädigten nichts verspricht, stellt er den Antrag auf Einstellung offiziell. Der Angeklagte hat nichts dagegen und stimmt zu.