Werkstattmuseum Karl-Mayer-Haus verwandelt sich in einen Handarbeitstreff Phantasie sind keine Grenzen gesetzt

Einmal pro Vierteljahr verwandelt sich das Karl-Mayer-Haus in einen Handarbeitstreff. Dann lädt der Heimat- und Geschichtsverein Obertshausen zusammen mit der Klöppelgruppe Seligenstadt Gleichgesinnte ein, sich über Techniken und praktische Tipps auszutauschen. Foto: m

Obertshausen (m) – Einmal pro Vierteljahr verwandelt sich das Karl-Mayer-Haus in einen Handarbeitstreff. Dann lädt der Heimat- und Geschichtsverein Obertshausen zusammen mit der Klöppelgruppe Seligenstadt Gleichgesinnte ein, sich über Techniken und praktische Tipps auszutauschen.

Bis zu 20 Frauen arbeiten an ihren Werken in Rahmen, Webstühlen und auf dicken Klöppelrollen. Initiatorin des Treffens ist Hildegard Flechsenhar. Sie leitet sonst Kurse im Regionalmuseum der Einhardstadt. „Wir Seligenstädter kennen uns aus, schließlich haben wir über Generationen mit Perlenhäkeln Geld verdient“, erklärt sie lächelnd.

Liselotte Martenczuk stieß aus Dieburg dazu und demonstriert die Arbeit mit dünnen Perlonfäden und Smirnanadeln mit Klappe. Die Werkzeuge heißen so, weil sie aus Smirna stammen, dem heutigen Izmir in der Türkei. Die Teppichknüpfer arbeiten mit einer Nadel mit Schlaufe und mit einer Spezialschere, um den Flor auf gleiche Länge zu schneiden.

Der Deutsche Klöppelverband zähle 3000 Mitglieder, aber „junge Frauen haben für so etwas keine Zeit mehr, auch kein Interesse“, klagt die kreative Fachfrau und führt das „Upcyceln“ vor. So nennt Liselotte Martenczuk die Verarbeitung von Plastiktüten.

Dazu stapelt sie mehrere der einfarbigen Kunststofftaschen und streift sie glatt. „Die meisten sind weiß oder grün“, weiß die erfahrene Sammlerin, „beim Gemüsehändler gibt’s aber auch rote und gelbe“. Mit blau-weiß gestreiften Exemplare könnte man sich bei ihr beliebt machen, die sind nämlich ausgesprochen selten, hören die Frauen, die den Gast in einer dichten Traube umringen.

Noch einmal greift die Expertin in eine ihrer mitgebrachten Bananenkisten und legt noch ein paar Tüten auf die Seite. Dann schneidet sie konzentriert schmale Streifen ab. Mit einer eingefädelten Nadel näht sie mehrere der langen Plastikbänder aneinander und wickelt die Einheit zum Knäuel auf. Immer noch bewundern die Damen am Tisch den Hut mit Blumen dran und die kleine, stabile Tasche, die ebenfalls mit Blüten verziert ist - alles aus den dünnen Plastikbahnen gehäkelt.

„Früher haben wir Basttaschen gemacht“, kommentiert eine der Besucherinnen, „aber die hier sehen richtig nach Sommer aus“. Ihre Werke seien außerdem sehr stabil, wirbt die Frau von der Gersprenz. Allein den Gelben Sack verarbeite sie nicht, „der ist geschaffen, dass er schnell verrottet“. Dafür hat sie aber auch schon Draht gehäkelt und geklöppelt, Stränge von der Stärke 0,25 oder 0,30 Millimeter. „Der Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt.“

Ob sie ihre Werke verkauft? „Für die Tischdecke, Durchmesser 80 Zentimeter, habe ich 1000 Stunden gebraucht, für den Fächer 200 Stunden“, allein die Zeit wäre nicht bezahlbar. „Die Russinnen machen die schönsten Sachen der Welt“, sagt sie dann, „aussagekräftige Motive auf Boleros, Stolen, Jäckchen. Die bieten sie zu 3- bis 5000 Dollar an“.

Für die Zusammenkunft im Werkstattmuseum spricht sie Leute mit Spaß an Handarbeiten an, vor allem auch junge Leute. Einmal sind junge Frauen aus Marokko und Tunesien zu dem Treffen gekommen, erzählt Hildegard Flechsenhar. Sie sprachen kaum deutsch, zeigten aber, wie sie Armbänder knüpfen. Vielleicht kommen sie mal wieder vorbei, zum Beispiel am Mittwoch, 23. Mai, ab 18 Uhr, wenn sich die Handarbeiterinnen wieder Anregungen von den erfahrenen Talenten holen.