STENOGRAFIE Zu Gast bei den Schnellschreibern des ZVB Schneller heißt kürzer

Zum Diktat: Die Stenografinnen Angelika Barnickel (links) und Sabine Fischer (Mitte) schreiben um die Wette. Die Trainerin der Fortgeschrittenen beim ZVB Obertshausen Brigitte Stegner liest vor.

Obertshausen – Für mehr als die Grußformel hat es nicht gereicht. „Meine sehr verehrten Damen und Herren, ...“, stand auf seinem Notizblock, dann musste dieser Reporter beim Trainings-Diktat der Stenografie-Profis in Obertshausen das Handtuch werfen. Dabei war das erst die Aufwärmrunde für Angelika Barnickel und Sabine Fischer beim Donnerstagstraining des „Zentralvereins für Bürowirtschaft, Informationsverarbeitung, Kurzschrift und Tastschreiben“ (ZVB).

Die beiden Gäste vom „Verein für Kurzschrift, Maschinenschreiben und Bürotechnik Offenbach“ sind zum Training der Fortgeschrittenen nach Obertshausen gekommen. Für sie ist das Stenografieren vor allem leidenschaftliches Hobby. Es gibt aber auch jene, die mit ihren Spezialfähigkeiten Geld verdienen, beispielsweise ZVB-Mitglied Maximilian Sadkowiak. Er fehlt bei dieser Übungsstunde, da er die Sitzung des Innenausschusses im Hessischen Landtag mitstenografieren muss. Aber nicht nur in den Parlamenten, auch für die Dokumentation von Strafprozessen seien die Kurzschrift-Kundigen begehrt, und das nicht nur von Gericht: „Einmal kam sogar eine Anfrage des ORF aus Österreich,“ erzählt ZVB-Vorsitzender Patrick Sahm.

Trotz der guten beruflichen Perspektiven interessierten sich immer weniger junge Leute für die Stenografie, klagt Übungsleiterin Brigitte Stegner. Manche wüssten heutzutage nicht einmal mehr, was es mit der Kurzschrift auf sich hat. Das sei in der Vergangenheit anders gewesen: „Früher hat die Mama gesagt: Geh mal in den Steno-Kurs,“ erinnert sie sich. Finden die Neulinge doch den Weg zu der althergebrachten Kulturtechnik der Kurzschrift, heißt es fleißig üben. Der Stenografie-Unterricht selbst unterliegt dabei einem sehr strukturierten Ablauf. Im ersten Jahr werden den angehenden Schnellschreiberinnen und Schnellschreibern alle nötigen Grundkenntnisse vermittelt. „Danach geht es nur noch darum, schneller zu werden,“ erklärt Brigitte Stegner, die schon 1968 ihre erste Prüfung als Lehrerin in der Kurzschrift abgenommen hat. Schneller, das heißt kürzer für die Schreiberinnen in Obertshausen. In stetig kürzeren Zeichen werden teils ganze Gesprächsfloskeln zusammengefasst, um so immer mehr diktierte Silben pro Minute – der Messwert beim Wettschreiben – korrekt aufschreiben zu können.

Wer mit dem ZVB an solchen Wettbewerben teilnimmt, kommt viel herum. Als regelmäßige Gäste bei Deutschen-, aber auch bei Weltmeisterschaften fahren die Mitglieder an interessante Orte, zu denen man ansonsten vielleicht nicht reisen würde, wie zur WM 2019 nach Cagliari auf Sizilien. Vor allem die Beiträge für die Jugendmannschaften werden dabei vom Verein stark subventioniert. Außerdem bemüht man sich im Jugendbereich, auch um die Wettkämpfe herum ein kulturelles und wie ein Freizeit-Programm anzubieten.

Wer Lust hat, selbst mit dem Stenografieren anzufangen, kann das sogar zeitnah beim ZVB tun: Am 30. Januar startet um 18.30 Uhr der Grundkurs in Kurzschrift, bei dem für ein Zustandekommen noch zwei Anmeldungen fehlen.

Von Philipp Bräuner