„Der Fleischsalat war legendär“ Schüler der ersten GKS-Abschlussklassen treffen sich

Wiedersehen nach 50 Jahren: Vor fünf Jahrzehnten bildeten sie die ersten Abschlussklassen der Georg-Kerschensteiner-Schule, jetzt trafen sich die einstigen Schüler zur goldenen Abschlussprüfung. Foto: pro

Obertshausen (pro) – Es war die Zeit des Aufbruchs, der Kurz-Schuljahre und der Klassen mit 40 Schülern. Die Teenager der Klasse HU2 und der späteren HO2 feierten jetzt ihre goldene Abschlussprüfung: Vor 50 Jahren haben sie ihre Prüfungen abgelegt, die ersten an der Georg-Kerschensteiner-Schule (GKS).

1964 hatte Direktor Kurt Formhals die Beruflichen Schulen eröffnet. Damals war es die größte Einrichtung ihrer Art, die er nach Hausen gebracht hatte. Und die ersten Klassen bildeten die Schüler der Klassen 1 und 2 der Handelschule Unterstufe (HU). „Wir mussten erst eine Aufnahmeprüfung in der alten Theodor-Heuss-Schule an der Geleitstraße in Offenbach machen“, erzählt Bernd Roth, einer von ihnen. Mehr als 300 junge Leute bewarben sich damals für die 80 Plätze in der kaufmännischen Richtung der zweijährigen Berufsfachschule,

„Damals haben sie gerade das neunte Pflicht-Schuljahr eingeführt“, erläutert der ehemalige Textilfachhändler. Die nagelneue „Penne“ war sehr gefragt, wer nach Klasse acht dorthin wechselte, konnte sich die neunte an der Volksschule sparen – und hatte nach zwei Jahren bereits eine halbe Lehre in der Tasche. Mit Roth lernten weitere Schüler aus dem Stadtteil Obertshausen (die Hausener saßen in HU1), aus den heutigen Kommunen Rodgau, Hainburg und Mainhausen.

Klassenlehrer war Horst Kiel, der anfangs im „Lehrerbunker“ in den Wohnblocks an der Frankfurter Straße in Hausen wohnte, erzählt Roth. Der Pädagoge unterrichtete die Fächer Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsrechnen und Wirtschaftsgeographie sowie Buchführung. Außerdem standen Stenografie, Tast-Schreiben und politische Bildung neben dem üblichen Fächerkanon auf dem Stundenplan. Zu Roths Lehrkräften zählten auch die Hausenerin Anita Günther und der spätere Landtagsabgeordnete Hermann Schoppe.

„Unsere Lehrer waren keine Kumpel-Typen, wir hatten Respekt vor ihnen“, blickt der Schüler von einst zurück, „aber wir haben viel von ihnen gelernt“. Die Jugendlichen hatten ein sehr gutes Verhältnis zum Lehrkörper, „weil für alle alles neu war“. Das galt auch für Hausmeister Weimer und seine Ehefrau, die als Sekretärin arbeitete – und sie hatten einen Kiosk, in dem sie belegte Brötchen verkaufte. „Der Fleischsalat war legendär“, gerät der Freund der französischen Küche ins Schwärmen, „das gab’s an keiner Schule“. Trotzdem liefen viele Jungs zu Lebensmittel-Grolig, wo es Presskopf-Brötchen gab. Ein anderer Pausen-Treffpunkt war die Raucherecke, bald eine Rarität an hessischen Schulen.

„Wir konnten zwischen Arbeitsgemeinschaften wie Französisch und Technik wählen“. Bei letzterem Angebot hat Roth an einem Auto gebastelt, Reifen und Zündkerzen gewechselt, erinnert sich der Pensionär. Die AGs liefen samstags in den ersten beiden Stunden. Klassensprecherin der HU2 war Karin Eckert, geborene Haller. Sie wurde später Lehrerin an der „Kerschensteiner“ und baute mit viel Engagement den Eine-Welt-Laden mit auf.

„Kurt Formhals hat seine Ideen umgesetzt und einen praxisnahen Unterricht geführt“, würdigt Roth das Konzept. Die Schule verfügte über ein voll ausgestattetes Lehrbüro und einen Lebensmittelladen. Jede Klasse führte darin eine fiktive Firma mit den Abteilungen, Einkauf, Verkauf und Lohnbuchhaltung sowie mit einer Poststelle. „Das hat unheimlich Spaß gemacht, und Fehler waren relevant.“

Und was ist „hängen“ geblieben? „Das kaufmännische Denken und Handeln hat mir am meisten gebracht“, sagt Roth, „das war wirklich Lernen fürs Leben“. Beweis: „In der Lehre haben wir nicht wie der Ochs’ vorm Scheunentor gestanden“, wirbt der Bürgermeister a. D., „als Lehrling hast du einfach kapiert, was Sache ist.“ Der Name Kerschensteiner hat Türen geöffnet, ein Zeugnis von der GKS galt als Grundstock für eine Anstellung in „oberen Etagen“. Mehrere Klassenkameraden wurden Direktoren und Abteilungsleiter in Banken – ohne Abitur.

Schlechte Noten in Steno und Schreibmaschine habe er mit guten in BWL, Buchführung, Rechnen und Religion ausgeglichen. „Darum war auch die Kämmerei mein Ding“, lacht der ehemalige Rathauschef. Er verlieh Direktor Formhals einst den Titel Ehrenbürger.

Der Oberstudiendirektor konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen: „Man sieht, dass man als Kerschensteiner was werden kann. Einer ist Pfarrer, einer Bürgermeister.“

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