Ausstellung „Vom Handentwurf zur Maschinenspitze“ im Karl-Mayer-Haus Spitzengilde feiert Jubiläum

Gudrun Borck, die Vorsitzende der Deutschen Spitzengilde, vor Porträt und Lebenslauf von Karl Mayer. Sie führt immer wieder Interessierte und ganze Gruppen durch Dauer- und Wechselausstellungen. Foto: m

Obertshausen (m) – Der runde Geburtstag des Karl-Mayer-Hauses ist auch ein Jubiläum der Deutschen Spitzengilde. Der international tätige Verein mit Sitz in Offenbach zog zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Leder als erster in das gerade fertiggestellte Werkstattmuseum. Diesen Schritt feiern die geschickten Talente und zeigen den Weg „vom Handentwurf zur Maschinenspitze“ auf sowie einen Querschnitt aus Ausstellungen der vergangenen Jahre.

Es war Karl Mayer persönlich, der die Handarbeiterinnen in sein umgestaltetes Elternhaus einlud. Die Frauen um Vorsitzende Gudrun Borck durften bald sogar jenen Raum ausstatten, den die Familie Mayer für den Firmengründer reserviert hatte. Die Gilde stattete die Wände mit einem Lebenslauf des Obertshausener Ehrenbürgers und ein Porträt auf, das 1983 auf einer seiner Maschinen im englischen Zentrum für Maschinenspitze in Nottingham gewebt wurde.

Kurz darauf wurde die Spitzengilde zehn Jahre alt. Dieses Datum beging sie mit einer großen Ausstellung von Wolfgang Häusler statt. Der Obertshausener ist Designer für Maschinenspitzen, hatte in der Firma Mayer gearbeitet und entwirft Muster für modische Kleidung, die weltweit auf Fachmessen vorgestellt wird. Er vermittelte dem Verein weitere wertvolle Kontakte.

Auf diese Weise gewann Gudrun Borck die englische Autorin Pat Earnshaw, die sich intensiv mit der Spitzentechnik befasst und ein Lexikon über alle Spitzenarten und deren Herkunft geschrieben hat. Sie war mehrfach in Obertshausen, berichtet die Vorsitzende der Gilde, stellte „Spitzen mit fortlaufenden Fäden“ am Beispiel der Sammlung von Häusler vor, alte, handgeklöppelte Spitzen aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

Der Verein war von Anbeginn deutschlandweit organisiert, erläutert die gelernte Erzieherin aus Langen. Er zählt rund 200 Mitglieder, darunter mehrere aus den Nachbarländern. Die fast ausschließlich weiblichen Aktiven tauschen Informationen über unterschiedliche Spitzen-Produkte und Techniken aus, fachsimpeln über Design, Bücher, Ausstellungen und Wettbewerbe.

Nach Obertshausen gelangte die Runde durch ihr Mitglied Sonja Köhler. Die damalige Inhaberin eines Fachgeschäfts für Handarbeitsbedarf las in der Zeitung vom neuen Museum und sprach mit dem Vorstand des Heimat- und Geschichtsvereins, damit die Spitzengilde im Karl-Mayer-Haus eine Heimat findet. In der Anfangszeit luden die Spitzen-Freundinnen zu drei Vernissagen im Jahr, heute öffnen sie zwei Wechselausstellungen.

Zu sehen waren unter anderem Werke aus der Schenkung der Familie von Wanda Thümmel aus Breslau. Sie hat nach Frankfurt in einen Haushaltswarenladen auf der Zeil geheiratet, Teppichentwürfe, Plastiken und Büsten gezeichnet und sich auf Spitze spezialisiert. Gudrun Borck präsentierte zudem textile Kunst von Leni Matthaei, der „Königin der Klöppelspitze“.

Nach der Wende gelangte auch Spitze aus dem Erzgebirge und aus Magdeburg ins Karl-Mayer-Haus, Richelieu- und Makrameearbeiten. „Die klugen Magdeburgerinnen“ füllten die gesamte Frontwand des Saals aus, der sächsisch-erzgebirgische Klöppelverband hat das Bild komplett in Nadelspitze gefertigt. Von dort kam auch der Schmuck, der in Spitzentechnik aus Metallfäden gefertigt ist.

Doch auch die Spitzengilde bangt um Nachwuchs und hadert mit dem hohen Durchschnittsalter ihrer Mitglieder. „Das ist der Arbeitswelt geschuldet“, weiß Gudrun Borck, „die Frauen haben keine Zeit und Muse mehr für ein so zeitaufwendiges Hobby“.