Trotz innovativer Neuerungen bleibt das Steinheimer Fest im Kern der alten Traditionen bestehen / Erinnerungen an „damals“ Bundesäppelwoifest: Eine Mischung aus echtem Humor und Heimatliebe

Über allem, was SKG-Vorsitzender Robert Zeiß (links) und Bürgermeister Ferdinand Jung (rechts) anno 1972 so tun, wacht der altehrwürdige Steinheimer Schlossturm. Repro: beko

Von Elena Wolf

Steinheim – Seit 1952 huldigt Steinheim nun schon am letzten August-Wochenende mit dem Bundesäppelwoifest dem hessischen Nationalgetränk, dem Apfelwein, oder – wie von den Steinheimern auch liebevoll genannt – dem „Staneemer Gold“. 67 Jahre voller Traditionen, aber auch 67 Jahre voller Veränderung. Steinheim und das Äppelwoifest im Wandel der Zeit. Wie hat sich das traditionelle Fest im Laufe der Jahre und Generationen verändert und angepasst und welche ursprünglichen Gepflogenheiten sind noch heute fester Bestandteil?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, half ein Blick ins Archiv der Heimatpost von 1972, die Redakteur Bernhard Koch aufbewahrt hat: Zwischen vielen schwarz-weiß Fotografien, Romanen und Werbung aus einer Zeit, in der beispielsweise der heutige Rewe noch als HL- Markt bekannt war, woran sich wohl kaum einer mehr zu erinnern vermag, stieß eine Doppelseite über das 20. Bundesäppelwoifest hervor.

Käthe Horn - auf letzteren Namen hörte die erste Bundesäppelwoikönigin im Jahre 1952, und mit ihr begann eine ganze Ära: Namen wie Josi Borrmann (1953), Mathilde Kämmerer (1956), Inge Leonhardt (1968) und Ilse Hauck (1970) dürften bestimmt noch einigen HeimatPost-Lesern ein Begriff sein.

Zum 20. Bundesäppelwoifest wurden alle 19 bisherigen Königinnen eingeladen – ein Brauch, der nun nach längerer Pause auch dieses Jahr wieder belebt wird.

Die Idee dahinter hat Heinz Herbert, der damalige zweite Vorsitzende der ersten Steinheimer Karnevalgesellschaft, schon vor 47 Jahren definiert, denn auch er war der Meinung, dass „die Damen und Herren bestimmt so manche alte Erinnerungen an frühere Feste wachrufen werden und daran erinnern werden, dass wir auch damals schon verstanden haben zu feiern.“

Seit 1952 ist die erste Steinheimer Karnevalgesellschaft der Veranstalter und Organisator und damals wie heute ist die Bandbreite des anstehenden Programmes groß, doch es gibt eine grundlegende Änderung des Festaufbaus im Vergleich zu früher: Gerade die jüngere Generation dürfte davon unter Umständen noch nie etwas gehört haben, doch das Bundesäppelwoifest fand vor der Jahrtausendwende noch von Samstag bis Montag, und nicht, wie heute gewohnt, von Freitag bis Sonntag statt.

Ein weiterer zentraler Unterschied stellt auch die Kürung des Bundesäppelwoikönigspaares dar: Nicht Samstagabend als Paar, sondern zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach Geschlechtern getrennt wurden Königin und König gekürt. Am Samstagabend gegen 22 Uhr fand die Kürung der Königin statt, am Montag mittag gegen 12 Uhr erhielt schließlich auch der König seine Krone.

Einen weiteren Höhepunkt stellte 1972 am Sonntag die Ankunft der freien Wanderer dar: zwei Mitglieder der Steinheimer DJK hatten ein Gelöbnis eingelöst und liefen von Würzburg bis nach Steinheim, wo die Steinheimer Karnevalgesellschaft diese samt Fanfarenzug freudig empfing, ihnen eine Medaille überreichte und die Auszeichnung „Deutsche Amateurmeister im freiwilligen 100-Kilometer-Straßengehen“ verlieh - schon lange in Vergessenheit geraten, nicht allerdings die Namen der DJK-Wanderer - Gerhard Kraft und Karlheinz Braun.

Damals wie heute stand der Sonntag im Zeichen der Familie, und so sollten auch die jüngsten Äppelwoifest-Besucher im Jahr 1968 beispielsweise mit einem zwei Stunden langen Kasperl-Theater auf ihre Kosten kommen, denn Kinder, Familie und Jugend standen und stehen noch heute zu großen Teilen im Fokus der Organisation des Festes.

Das traditionelle Heimatspiel am Sonntagnachmittag, in dem Laienschauspieler aus den Reihen der ersten Steinheimer Karnevalgesellschaft ausgewählte, vereinsintern gestaltete und inszenierte Stücke aufführen, bildet inzwischen den Abschluss des heutigen Äppelwoifestes am Sonntagnachmittag gegen 17 Uhr, während das Fest früher am Montagabend gegen 20 Uhr endete, zum Beispiel mit einem „Tanz für Jung und Alt“. So oder so: Das Heimatspiel findet immer noch denselben positiven Anklang bei den Zuschauern und lässt das Fest erst „zu einer gelungenen Mischung aus echtem Humor und Heimatliebe“ werden, wie Wilhelm Sattler, der damalige Erste Stadtrat Steinheims, schon im Jahre 1968 betonte.

Das Bundesäppelwoifest in Steinheim hat sich seit seinem ersten Auftakt im Jahre 1952 sehr verändert, doch es bleibt im Wandel der Zeit nicht stehen, und so schafft es die SKG, Jahr für Jahr ein Programm zusammenzustellen, das bei den vielen Besuchern stets Anklang findet und die Attraktivität des Festes gewährleistet.

„Dies zeugt von echtem Bürgersinn“, betonte Erster Stadtrat Wilhelm Sattler bereits 1972, und ebendiesen Bürgersinn hat das Bundesäppelwoifest bis heute nicht verloren.

„Wir wollen offen sein, und wir sind offen.“, brachte der Vorsitzende der Steinheimer Karnevalgesellschaft, Heiko Lipke, bei einer Pressekonferenz vor wenigen Tagen zum Ausdruck, und jedes Jahr aufs Neue stellt dies der Verein auch unter Beweis: Beim 67. Bundesäppelwoifest gibt es nun beispielsweise Wertmarken, die auch für einen sozialen Zweck gespendet werden können. Seit 2017 gibt es kein großes Festzelt mehr, um eine offenere und zwanglosere Atmosphäre zu erzeugen – wird in den nächsten Jahren vielleicht sogar ein ökumenischer Gottesdienst in das Fest integriert?

Trotz der fortlaufenden Veränderungen und neuen Innovationen bleibt das Fest im Kern der alten Traditionen bestehen, und gerade deshalb ist das „Bundesäppelwoifest eine Veranstaltung, die sich weit über Steinheim hinaus eines guten Rufes erfreut.“, wie Wilhelm Sattler bereits vor 47 Jahren mit Nachdruck anmerkte - und dieser gute Ruf ist in den letzten Jahrzehnten durch viel Kreativität und großes Engagement im Verein nicht nur genau so bestehen geblieben, sondern über die Zeitspanne hinweg noch weiter ausgebaut und etabliert worden.

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