Auszüge aus dem Buch „Glücksjunge“ von Helmut Lang / Teil 7 In größter Hitze acht Stunden Steine brechen

Helmut Lang berichtet aus „alten Zeiten“. Foto: privat

Stadtteile (beko/red) – Weiter geht es heute mit Details aus dem Buch „Glücksjunge“ von Helmut Lang mit vielen Interna aus Steinheim und Klein-Auheim in früheren Jahren.

Sehr deutliche Worte findet der Autor zum Thema „Die Nazis setzten meinen Vater unter stärksten Druck“. Nachfolgend Auszüge daraus. Mehr in seinem Buch „Glücksjunge“.

(...) Durch die Wirrnisse der letzten Kriegstage gelangte mein Vater am 2. Mai 1945 plötzlich in die Stadt Traunstein in Bayern und wurde von den dortigen Amerikanern gefangen genommen. Sein Fahrzeug wurde von der dortigen US-Militär-Regierung beschlagnahmt und mein Vater als Polizeibeamter in Traunstein eingesetzt. Im Juni 1945 wurde er von der dortigen Kommandantur als Privatperson nach Steinheim entlassen. Das Auto durfte er nicht mitnehmen.

Mit Zugfahrten auf einigen Teilstrecken und Fußmärschen kam mein Vater einige Tage später wieder in Steinheim an. Er wurde sofort von der zuständigen US-Militärbehörde per Jeep abgeholt mit der Begründung: „Er habe 1938 als Polizeileutnant und Parteimitglied bei der Zerstörung der Inneneinrichtung der Synagoge in Groß-Steinheim initiativ mitgewirkt“. Sein Hinweis, dass er erst im März 1939 nach Steinheim versetzt worden sei, wurde nicht zur Kenntnis genommen. Anstatt die Beweislage zu ergründen, wurde er kurzerhand als Naziverbrecher auf die Kühlerhaube eines Jeeps gesetzt und durch Steinheim gefahren, wo er dann von etlichen Steinheimer Bürgern angespuckt und heftig beschimpft wurde. Diese Entwürdigung hat meinen Vater sehr gekränkt und bis an sein Lebensende verfolgt.

Er war als Polizei-Dienststellenleiter sehr angesehen und beliebt in Steinheim, was auch die Entnazifizierungs-Verhandlung eindeutig erwiesen hat. Meine Mutter versuchte durch den Hinweis auf diesen Fehler beim neuen Polizei-Chef Gehör zu finden. Ohne Erfolg. Auch das katholische Pfarramt war nicht auskunftswillig, da er ja aus der Kirche ausgetreten war.

Über sechs Wochen saß mein Vater in Untersuchungshaft in Offenbach und kam erst durch die Bemühungen von Fritz Reutzel, Freund unserer Familie und Onkel meiner späteren Ehefrau (die ich damals allerdings noch nicht kannte) mit einem Anwalt und einer Kaution von 300 RM am 25.06.1946 frei. Die Gefängnishaft war der Gipfel der Enttäuschung für meinen Vater, der stets seinen Polizeidienst in größtem Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein erfüllt hat. Als 14-Jähriger fuhr ich mehrmals allein nach Offenbach zum Untersuchungs-Gefängnis und schmuggelte meinem Vater jeweils etwas Essbares und einige Päckchen US-Zigaretten in die Zelle, da kein persönlicher Besuch erlaubt war. Mit den Gefängnis-Pförtnern hatte ich folgendes Arrangement getroffen: Sie sollten das jeweils von mir gebrachte Päckchen, das ich stets öffnete, um ihnen den Inhalt zu zeigen, meinem Vater direkt zustellen und meinem Vater einen Fensterblick erlauben, um damit den Erhalt des Päckchens zu signalisieren. Das hatte ich ihm in einem Brief mitgeteilt. Ich wartete dann unten auf der Straße bis er sich am Fenster hochrangelte und mir den Erhalt mit Armzeichen bestätigte. Dies funktionierte gut. Es kostete jeweils zwei Päckchen US-Zigaretten für jeden Pförtner. Damit war die Sache geregelt.

Bis zur Entnazifizierungs-Verhandlung wurde er gezwungen, im Steinheim/Dietesheimer Steinbruch Steine zu brechen. Es war Hochsommer und mein Vater musste in der größten Hitze täglich acht Stunden schwer arbeiten. (...)