Pfarrkonvent mit Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau Hoffnung geben als Kirche der Vielfalt

Über die Zukunft der Kirche angesichts sinkender Mitgliederzahlen und strukturelle Herausforderungen diskutierten Pfarrerinnen und Pfarrer der Evangelischen Dekanate Dreieich und Rodgau mit dem Kirchenpräsidenten der EKHN, Volker Jung (Mitte rechts, im dunklen Anzug). Foto: privat

Steinheim/Region (red) – Über die Zukunft der Kirche sprachen Pfarrerinnen und Pfarrer der Evangelischen Dekanate Dreieich und Rodgau am vergangenen Mittwoch in Hanau-Steinheim im Rahmen eines gemeinsamen Konvents mit dem Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Pfarrer Volker Jung.

„Hoffnung geben!“ So lautet die Antwort des Kirchenpräsidenten der EKHN, Volker Jung, auf die Frage, welchen Auftrag die Kirche, Christinnen und Christen heute haben. „Hoffnung geben ohne Anspruch, alle Probleme unserer Welt lösen zu können.“

Und die Probleme, vor denen Kirche und Welt derzeit stehen, sind mannigfach. Aus Sicht des Kirchenpräsidenten und der Kirchenleitung der EKHN sind es drei große Themen, die nicht nur gesellschaftliche Herausforderungen darstellen, sondern in der Kirche wie in allen gesellschaftlichen Institutionen tief greifende strukturelle Veränderungen mit sich bringen werden:

Vor allem nachhaltiges Wirtschaften und der Klimaschutz im Besonderen müssten noch zu einem umfänglicheren Umdenken in allen gesellschaftlichen Institutionen und damit auch in der Kirche führen, ist Jung überzeugt. Aber auch die Digitalisierung werde die Kirche grundlegend verändern, hier dürfe die EKHN den Anschluss nicht verlieren - in der Kommunikation mit Mitgliedern und Interessierten ebenso wie in den organisatorischen Abläufen.

Und schließlich „muss Mitgliederorientierung eines der großen Zukunftsthemen sein, wenn wir uns dafür entscheiden, auch in den nächsten Jahrzehnten noch Kirche in der heutigen Form sein zu wollen“, so der Kirchenpräsident. Die EKHN habe sich bewusst dazu entschieden, eine „Kirche der Vielfalt“ zu sein - mit Blick auf Menschen, Themen und Angebote. „Wir setzen auf eine vielfältige Präsenz in der Gesellschaft“ mit den Gemeinden und Dekanaten als Kirche vor Ort und in der Region, aber auch mit thematischen Angeboten der EKHN-Arbeitszentren wie Ökumene, Gesellschaftliche Verantwortung und Verkündigung, mit dem Bibelmuseum am Frankfurter Museumsufer oder der Evangelischen Akademie auf dem Römerberg. Um diese Vielfalt erhalten zu können, sei die EKHN aber weiterhin auf solidarische Unterstützung ihrer Mitglieder und damit auf einen verlässlichen Finanzrahmen angewiesen.

Ein ehrliches Eingeständnis in die Begrenztheit der weltlichen Kräfte und die Erkenntnis, dass es „auch für uns keine simplen Lösungen und keine einfachen Strategien gibt“, biete Potenzial und die Hoffnung, dass daraus neue geistliche Kraft und Mut zum Handeln erwachsen kann.

Mit dieser Hoffnung will Jung auch seine Evangelische Kirche in Hessen und Nassau ermutigen, den zurückgehenden Mitgliederzahlen zu begegnen. Unlängst hatten Wissenschaftler des Forschungszentrums Generationenverträge in der so genannten „Freiburger Studie“, herausgefunden, dass die beiden großen Kirchen in Deutschland bei sich fortsetzendem Trend bis zum Jahr 2060 noch halb so viele Mitglieder wie heute haben werden. Das sei nur zum Teil auf die demografische Entwicklung zurückzuführen, Austritte hätten einen weit höheren Anteil daran als bisher vermutet; bei den 25- bis 35-Jährigen sei die Austrittsrate besonders hoch.

Dass im Rhein-Main-Gebiet besonders viele Menschen aus der Kirche austreten, führt der Kirchenpräsident nach vielen Gesprächen an der Basis auch auf die hohen Lebenshaltungskosten im Ballungsraum zurück. „Wer zwei Jobs zum Wohnen und Leben braucht, für den ist die Kirchenmitgliedschaft schon ein Luxus. Aber auch darüber hinaus will ich herausfinden, was in dieser Altersgruppe passiert.“

Mit den Pfarrerinnen und Pfarrern sprach der Kirchenpräsident deshalb im Anschluss an seinen Vortrag über Perspektiven der Zukunft: Von Alternativmodellen zu Kirchensteuer und der heutigen Form der Mitgliedschaft über Social-Media-Kommunikation mit der Webgemeinde bis hin zur Kirchenzugehörigkeit als Voraussetzung für die Teilhabe an bestimmten kirchlichen Angeboten reichte das Gesprächsspektrum.

Die Fragen und Antworten der Pfarrerinnen und Pfarrer sollen mit in die weiteren Überlegungen einfließen. Aber Jung gibt auch zu bedenken: „Sicherlich dürfen wir als Kirche nicht nur bestandssichernd denken, aber wir müssen auch im Blick haben, dass wir für die Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat auch Gestaltungsspielräume brauchen.“