Klein-Auheimer Schiedsmann Erwin Kreß wird am Montag in den Ruhestand verabschiedet „Verhärtete Fronten haben noch nie zum Ziel geführt!“

Nach knapp zwei Jahrzehnten ehrenamtlicher Arbeit im Schiedsamt Klein-Auheim wird Erwin Kreß am Montag, 16. Oktober, in den endgültigen Ruhestand verabschiedet. Foto: kama

Klein-Auheim (kama) - Ein gutes Händchen hatten 2001 die Verantwortlichen der Stadt Hanau, als sie den gerade pensionierten Polizeikommissar der Polizeistation Großauheim, Erwin Kreß, zum neuen Schiedsmann im Stadtteil Klein-Auheim ernannten. 

Seitdem vermittelte Kreß als Schiedsmann vorgerichtlich in unzähligen Streitfällen aus allen Bereichen des alltäglichen Gemeindelebens: Hierzu zählen u.a. Verstoß gegen das Briefgeheimnis, Beleidigung, Sachbeschädigung sowie einfache Körperverletzung und einfacher Diebstahl. Auch in klassischen Streitigkeiten wegen grenzüberschreitenden Baumästen oder kaputten Maschendrahtzäunen durfte der Schiedsmann vermitteln.

„Es war nicht immer einfach, allen Wünschen zu entsprechen, allerdings vergessen viele, dass der Schiedsmann keine Urteile zu fällen hat. Der Schiedsmann ist kein Richter, nur Vermittler. Ich habe stets versucht zu schlichten“, so Erwin Kreß. Durch häufige, außergerichtliche Vermittlung konnte Kreß als Schiedsmann den eigentlich zuständigen Gerichten in Lappalien viel Arbeit ersparen.

„Nicht selten konnten jährlich bis zu 20 oder mehr Fälle außergerichtlich und ohne Verhandlung erledigt werden“, erklärt Kreß. Am 16. Oktober, nach etwa 17 Jahren ehrenamtliche Arbeit, wird Erwin Kreß aus dem Schiedsamt in Klein-Auheim verabschiedet.

Dass Kreß nach 33 Dienstjahren als Polizist direkt nach seiner Pensionierung Schiedsmann wurde, hatte Vor- und Nachteile. „Als ich noch im Dienst war, herrschte zwischen der Polizei und den Bürgern ein sehr gutes Verhältnis. Wir waren ‘Freund und Helfer’ und vielen Menschen persönlich bekannt“, so Kreß. Dieser Bekanntheitsgrad half Kreß, im Schiedsamt auf einer persönlichen und direkten Ebene mit zahlreichen Streitpartnern zu kommunizieren. „Natürlich ist es wichtig, professionell und objektiv zu bleiben, allerdings kommt man viel näher an die unterschiedlichen Charaktere heran, wenn man sich schon jahrelang kennt“, erklärte Kreß.

Gleichzeitig gab es für Erwin Kreß auf Grund dieser persönlichen Bekanntheit kaum Feierabend: „Klienten haben mich auch auf meiner Privatnummer zu jeder Tageszeit, teilweise auch an Sonn- und Feiertagen angerufen.“ Doch zur erfolgreichen Ausübung des Schiedsamtes gehören einige Qualitäten, die unabdingbar sind: Zuverlässigkeit, Souveränität, vor allem aber Ruhe und Gelassenheit beim Zuhören. Auch hier habe Kreß in mehr als drei Jahrzehnten Polizeiarbeit die nötigen Fähigkeiten gewinnen können: „Ich habe so viel Aufregung und so viel Krach, so viele Tatorte und Leichen gesehen, mich haut der aufgebrachte Nachbarstreit nicht mehr um“.

So waren auch die gestressten Anrufe, die ihn auch außerhalb der Öffnungszeiten des Klein-Auheimer Stadtteilladens erreichten, ein leichtes Unterfangen - auch wenn jeder einzelne Fall etwas Neues mit sich brachte. Nach eigenen Aussagen habe ihn jeder Streitfall persönlich berührt und emotional mitgenommen, gleichzeitig konnte Kreß mit Ruhe, guter Laune und einer sehr herzlichen, deeskalierenden Art stets vermitteln. In seinen Augen haben viele Menschen oft nur eine offizielle Möglichkeit gebraucht etwas „Luft rauszulassen“ und Gehör zu finden. Hier habe Kreß gerne als „Ruhepol“ gedient.

Warum im alltäglichen Gemeindeleben so viele Streitigkeiten entstehen, kann er sich allerdings nach drei Jahrzehnten Polizeidienst und knapp zwei Jahrzehnten ehrenamtliche Arbeit im Schiedsamt nur schwer erklären: „In meinen Augen leben zu viele Menschen ihren Alltag zu egoistisch aus. Sie fühlen sich selbst ungerecht behandelt, reagieren emotional und sehen nicht, dass sie dadurch selbst ungerecht handeln.“

Oft sei es besser, einfach nur durchzuatmen und die Sachlage tatsächlich realistisch zu betrachten: „Selbst wenn man im Recht ist, kann man mal etwas Leine geben und mit gesundem Menschenverstand und etwas Menschlichkeit an die Sache herangehen. Verhärtete Fronten haben noch nie zum Ziel geführt!“