Auf Entdeckungsreise in den Frankfurter Stadtteilen Höchst: Zwischen Idylle und Industrie

Das Alte Schloss mit seinem markanten Turm. Bild: -

Höchst (sh) – Nennt man einen Frankfurter Stadtteil, hat fast jeder ein bestimmtes Wahrzeichen, etwas für den Stadtteil Typisches oder auch ein Klischee vor Augen. Redakteurin Sabine Hagemann hat die Frankfurter Stadtteile besucht, sie erlaufen, auf sich wirken lassen und sich umgeschaut, was es dort neben den üblichen Sehenswürdigkeiten noch so gibt.

Ich kann es kaum glauben, aber dies ist tatsächlich die letzte Stadtteiltour. Zum Finale geht es nach Höchst. Höchst gehörte zwischen 790 und 1802 zu Kurmainz, dem Territorium des Erzbischofs von Mainz. Daher begegnet einem auch heute noch häufig das „Mainzer Rad“ in Höchst.

Ich komme mit der S-Bahn am Bahnhof Höchst an, dem zweitgrößten Bahnhof Frankfurts. Das jetzige Empfangsgebäude ist das vierte, denn der ursprüngliche Höchster Bahnhof wurde schon 1839 gebaut. Zur Bahnhofsanlage gehört die Bruno-Asch-Anlage. Sie ist der einzige Park Frankfurts, der im expressionistischen Zackenstil gehalten ist. Die Anlage ist ein hübscher Blickfang, in dem Wasser aus dem sechseckigen Seiler-Brunnen plätschert.

Weiter geht’s zum Dalbergplatz, einem wichtigen Verkehrsknoten. In der Mitte des Kreisverkehrs glitzert die silberne Skulptur „Windsbraut“ in der Sonne, an der einmündenden Hostatostraße steht das Glockenspielhaus - die Glocken an der Fassade über der Uhr sind nicht zu übersehen. Im Inneren des Hauses befindet sich das Frankfurter Uhren- und Schmuckmuseum.

Ich folge der Hostatostraße und passiere die katholische Kirche St. Josef, bevor ich über die Justinuskirchstraße und Emmerich-Josef-Straße einen kurzen Stop beim Neuen Theater Höchst einlege. In dem ehemaligen Kinosaal kommen Fans der Kleinkunst auf ihre Kosten. Im ersten Stock befindet sich der Kinosaal des Filmforums Höchst.

Parallel dazu, eingefasst von Melchior-, Antoniter- und Justinuskirchstraße, ist der Höchster Markt mit Wochenmarkt, Markthalle und Brüning-Brunnen. Auffällig ist dort ein roter Bunker am Ettinghausen-Platz. Davor stehen Ferngläser. Allerdings schaut man durch diese in die Vergangenheit, denn wo jetzt der Bunker steht, stand eine Synagoge. Nationalsozialisten hatten sie 1938 niedergebrannt. Mit den Ferngläsern wird eine dreidimensionale Rekonstruktion der Synagoge von außen und von innen sichtbar gemacht.

Auf dem Weg zur Rudolf-Schäfer-Anlage passiere ich das Hallenbad Höchst und die evangelische Stadtkirche. Am Rand der Anlage posiert Bismarck als Denkmal, während auf der gegenüberliegenden Seite der Bolongarostraße die moderne Skulptur „Transformation“ platziert ist: Auf einer Bank sitzt ein Wesen, das halb Mensch, halb Engel ist. Ein Flügel ist zugleich die Rückenlehne der Bank. Ein interessanter Kontrast zu dem „Eisernen Kanzler“.

Die Bolongarostraße bringt mich erst einmal zum Dalberghaus. Das hübsche historische Anwesen beherbergt das Evangelische Familienzentrum Höchst, eine Cembalo-Werkstatt und in den unterirdischen Gewölben den Kulturkeller Höchst, in dem Kleinkunst geboten wird. Ich werfe noch einen Blick auf das neue Schloss Höchst, das vermutlich einst aus zwei kleinen Adelssitzen hervorging. Der Gebäudekomplex diente, nachdem das Alte Schloss zu Beginn des Dreißigjährigen Kriegs zerstört wurde, den Mainzer Kurfürsten als gelegentliches Quartier, bis es Ende des 18. Jahrhunderts in Privatbesitz kam und durch mehrere Hände ging. Durch den malerischen Burggraben mit seinen bunten Fachwerkhäusern, alten Laternen, blühender Bepflanzung und Kopfsteinpflaster mache ich mich auf den Weg zum Alten Schloss, das im Mittelalter eine Zollburg des Mainzer Erzbischofs war. Das Gebäude mit dem markanten haubenförmigen Dach auf dem Turm gehört inzwischen der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Das Höchster Schlossfest ist einer der kulturellen Höhepunkte der Region. Auf dem Schlossplatz ist auch ohne Fest schon mächtig was los. Zahlreiche Ausflügler genießen das Angebot der Gastronomen. Am Schlossplatz hält der Verein für Geschichte und Altertumskunde Frankfurt-Höchst die Vergangenheit lebendig. Einen besseren Ort dafür hätte der Verein nicht finden können.

Ich gehe zum Fluss, wo die Mainfähre zwischen Höchst und Schwanheim pendelt. Über der Mauer thront die Justinuskirche. Die Basilika ist das älteste erhaltene Gebäude in Frankfurt. An der Orgel spielen während des Höchster Orgelsommers internationale Künstler. Ich spaziere durch den Brüningpark, wo der Künstler Richard Biringer dem Schrecken des Kriegs im wahrsten Sinn des Wortes ein Gesicht gegeben hat. Der stumme Schrei des Bronzekopfs macht beklommen.

Vorbei an der Umspannanlage der Süwag begebe ich mich in Richtung Norden, um einen Blick auf das Tor Ost des Industrieparks zu werfen, der mit rund vier Quadratkilometern Fläche zu den größten Industrieparks in Deutschland gehört.

Ich begebe mich wieder zurück an den Main, denn als Nächstes stehen die Niddamündung und der Bolongaropalast auf der Liste. Über die Nidda führt das „Gaasebrickelsche“ (Ziegenbrücklein), von dem aus man einen netten Blick auf das Gebäudeensemble des Bolongaropalasts und die Niddamündung hat. Von 1909 bis zur Eingemeindung der ehemals selbstständigen Stadt Höchst 1928 diente das Bauwerk, das die aus Italien stammenden Kaufleute Bolongaro im 18. Jahrhundert errichten ließen, als Rathaus. Derzeit wird der Palast saniert und soll 2024 für den Publikumsverkehr geöffnet werden.

Ebenfalls an der Bolongarostraße befindet sich das Kronberger Haus, in dem das Höchster Porzellanmuseum untergebracht ist. Von dort schlage ich mich Richtung Norden durch und spaziere die Einkaufsstraße Königsteiner Straße entlang. Auf Höhe der Klinik halte ich mich rechts, denn meine letzte Station führt mich in den Stadtpark. Sehenswert ist der Weiher mit einer kleinen Holzbrücke. Ein Taschentuchbaum steht im Park in voller Blüte und scheint mir zum Abschied mit seinen weißen Blütenblättern zu winken – und ich winke an dieser Stelle allen Lesern zu, die an dieser Stadtteilserie ihre Freude hatten. Vielleicht hat sie ja zu eigenen Erkundungsgängen motiviert. Mir war es jedenfalls eine große Freude, diese Touren zu unternehmen und davon berichten zu können.

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