Trubel im Zelt, Gemütlichkeit in den Scheunen Kerb hat viele Gesichter

Hoch hinaus in Fahrgeschäften an der Kirche.

Nieder-Roden – So geht Kerb: Musikalisch, wie das sechsköpfige Blasorchester, das den Umzug zum Auftakt der Nirreräirer Kirchweih begleitet – mit viel Lust am Feiern unter den Türmen im Herzen des wilden Südens Rodgaus. Ein paar Prozent braucht es schon in der Birne, Gutes vom Apfel oder Gerstensaft, um überhaupt in der Lage zu sein, den Titel der Veranstaltung fehlerfrei lesen zu können.

Die korrekte Aussprache beherrschen wohl nur Einheimische und Sprachkünstler: Nirrerairer Kerb! „Wem ist die Kerb?“, schallt es durch die Straßen. „Einmal Kerbborsch – immer Kerbborsch!“, und darauf folgt von der rollenden Mini-Bar: „Einmal Kerbmädsche – immer Kerbmädsche!“ Der McCormick D-324 mit dem schlanken Zehn-Meter-Stamm im Schlepptau schaukelt schon ungeduldig, der veredelte Rolllator auch. Fünf bunte Flaschen thronen auf der mobilen Kerb-Bar, mit 42 Äpplern ist der Balken hinterm Bulldog bestückt, und Stadtkinder glaubten immer, der fährt mit Diesel. Tut er auch, stellt sich beim Eintreffen des Bläser-Sextetts heraus, aber die Jungs mit Tuba und Trompete brauchen eben einen anderen Treibstoff. So folgen sie also dem flatternden Laub und dem tuckernden Traktor und den bekannten Tönen der Talente. Die Schulstraße runter und über die Ostendstraße auf die Hauptschlagader des Stadtteils im Feiermodus. Kein Autofahrer hupt oder flucht, weil er noch eine Ampelphase ausharren muss, bis der vergnügte Lindwurm vorübergezogen ist.

Ganz im Gegenteil: Auf Balkonen, an Fenstern und in Türen stehen Seniorinnen, ganze Familien und spendable Hausfrauen, die den Trägern der lilafarbenen T-Shirts ein Tablett mit kleinen Plastikbechern und einer klaren Kraftquelle entgegenhalten. Kirche und Kerbplatz umgehen die Borschen und Mädchen über die Karolingerstraße, um mit einem Schwenk in die Schulstraße einzubiegen.
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Vorm Pfarrheim erwartet bereits Pfarrer Dr. Peter Eckstein die Prozession, Kinder binden mit Hilfe von Eltern weitere Kreppbänder an die Zweige. Gekonnt wird der Baum über den Zaun gehievt und mit vereinten Kräften in die vorgesehene Öffnung. Der Seelsorger schwenkt den mit geweihtem Wasser getränkten Aspergill auf das Kerb-Symbol und die Beteiligten.

Kinder stehen staunend im Garten vor der Pfarrbücherei. Mit kleinen Trommeln, Tamburins, Töpfen und Tellern sind sie mitgelaufen. Es ist wohl das Geheimnis, warum dieser Brauch nicht mal durch die Pandemie aufgehalten werden kann: Auch die jungen Generationen sind mit Leib und Seele dabei!

Am Samstagabend ist das Festzelt des Kerbvereins dann fest in der Hand der jungen Generation. Wohl kein Besucher ist älter als Mitte 20. Zur DJ-Musik tanzen die jungen Leute auf Tischen und Bänken. Ruhiger geht es im Hof der Ober-Rodener-Straße 28 bis 30 zu. Sechs Musiker unterhalten die Gäste mit Lounge-Jazz in unterschiedlichen Besetzungen. Abseits der Musik kann man in der ehemaligen Scheune ein Glas Wein in geselliger Runde trinken. Nach Umbau und Corona ist es für den Hausherrn Dieter Mergenthal die erste Kerb seit 2018. Die Bewirtung übernimmt der Musikverein Nieder-Roden, der mit dem Erlös seine Jugendarbeit finanziert. Vier Orchester des Vereins gestalten das Musikprogramm am Sonntag.

„Herzlich willkommen“ grüßt ein Schild über der Hofeinfahrt der Ober-Rodener Straße 49, keine 20 Meter vom Autoscooter entfernt. Seit die Kerb wieder im Altort gefeiert wird, öffnet Wolfgang Schrod seine Scheune für Besucher. Ein Zelt im Garten bietet 120 Gästen Platz. Drei Mitglieder der Mainzer Hofsänger sorgen dort am Sonntagnachmittag für Stimmung. Als Zugabe hören die Gäste den neuen Song „Moguntia“ (nach dem lateinischen Namen für Mainz). Die Familie Schrod stellt die Kerb übrigens in den Dienst einer guten Sache: Was am Ende übrig bleibt, geht als Spende an den Verein „Sterntaler“ (Mannheim), der ein Kinderhospiz in Dudenhofen (Pfalz) unterstützt.  eh/m