Ahrtal-Bewohner müssen dank Initiative aus Rodgau nicht frieren Klimaanlage als Notheizung

Viele Häuser sind noch im Rohbauzustand: Tobias Schott spricht mit einem Bewohner der Hochwasserregion, der nun wenigstens einen Raum seines Hauses provisorisch beheizen kann. Foto: p

Rodgau – Auch mehr als drei Monate nach dem verheerenden Hochwasser im Ahrtal hört die Hilfe nicht auf. Rodgauer Unternehmer haben bisher etwa sechs Millionen Euro an Spenden mobilisiert. Der neueste Coup: Klimaanlagen dienen als provisorische Heizgeräte. Mehr als 500 Stück wurden bereits gespendet und eingebaut.

Die Idee entstand im Sommer beim Feierabendbier in Ahrweiler, nachdem die Helfer aus Rodgau auf dem Campingplatz einen Waschsalon aufgebaut hatten. Es war kühl und regnerisch. „Da haben wir gedacht, wenn wir frieren, frieren die anderen auch“, berichtet Tobias Schott vom Gewerbeverein Rodgau. Vereinskollege Marco Eckel fand die Lösung: Als Luft-Wärmepumpen können Klimaanlagen Räume nicht nur kühlen, sondern auch beheizen. 100 Geräte, so meinte er, müssten sich für notleidende Ahrtal-Bewohner organisieren lassen.

Der Klimaanlagen-Spezialist (Eckert & Stück) und der Veranstaltungsorganisator (Eventwerk Rodgau) ergänzten sich prima. Über Internetmedien zog die Aktion Kreise. Ein Aufruf an Hersteller, Händler und Innungen hatte Erfolg. Ein einziger Händler stellte gleich 100 Geräte zur Verfügung. Inzwischen sind laut Schott etwa 250 Klimaanlagenbauer aus ganz Deutschland dabei.

Jede Klimaanlage besteht aus zwei Teilen. Eines wird außen am Haus montiert, das andere im Raum aufgestellt. „Mit diesen Geräten schaffen wir es, Räume von bis zu 50 Quadratmetern zu beheizen und auch zu trocknen“, heißt es auf den Internetseiten der Initiatoren. Fachhandwerker bohren ein Loch durch die Wand und montieren die Geräte. Die Bewohner bekommen die Anlagen geschenkt, müssen aber auf Haftungsansprüche verzichten.

Bis Ende Oktober waren 563 solcher Notheizungen eingebaut, wie Tobias Schott berichtet: „Die Monteure kommen ins Tal gefahren und jeder bringt eine Anlage mit. Am Wochenende waren wir 130 Mann.“ Auch unter den Herstellern sei eine Art Wettlauf entstanden, wer die meisten Geräte spendiert. Schott: „Das ist etwas, was es in dieser Branche noch nicht gegeben hat.“

Die Klimaanlagen verbrauchen zwar Strom, sind aber effizienter als eine Elektroheizung. „Wir geben knapp 800 Watt rein und kriegen vier Kilowatt Heizleistung heraus“, erklärt Schott. Auch Monate nach der Hochwasserkatastrophe sei das Stromnetz der Region noch nicht so leistungsfähig wie früher: „Es gab eine Zeit, da ist das Stromnetz jeden Morgen zusammengebrochen.“

Die Aktion geht weiter, obwohl schon fünfmal so viele Geräte montiert sind wie ursprünglich geplant. „Bis Weihnachten werden wir 1000 Anlagen verbaut haben“, sagt Tobias Schott. Der übliche Preis einschließlich Montage liege bei 3500 Euro pro Gerät. „Alleine dieses Projekt ist 3,5 Millionen Euro wert.“ Insgesamt habe der Gewerbeverein Rodgau etwa sechs Millionen Euro in Bewegung gebracht. Ein privater Radiosender steuerte eine halbe Million bei.

Die Notheizungen sind für Bedürftige gedacht. Manche Wünsche müssen die Helfer auch ablehnen. Schott: „Die Monteure haben das letzte Wort. Sie schauen selbst, ob eine Bedürftigkeit vorliegt.“ Es gebe zwar auch schwarze Schafe, dabei handele es sich aber um Einzelfälle. Nach wie vor sei in der Region ein großer Zusammenhalt spürbar: „Das ist wirklich einmalig.“

VON EKKEHARD WOLF